Sex sells – oder doch nicht?
Sex sells – oder doch nicht?
Heute wird nahezu alles mit nackter Haut oder sexueller Konnotation vermarktet. Fitness, Ernährung, Mode und Beauty sind gigantische Industriezweige, die von Instagram und Facebook bis zur Werbung für Milch oder Putzmittel dafür sorgen, dass körperliche Schönheit zum Ideal und zur gefragten Handelsware wird.
Galt für Männer früher die Maxime intelligent, charmant und (erfolg)reich zu sein, während Frauen idealerweise vor allem schön zu sein hatten, hat sich beides heute angeglichen. Männer werden heute genau wie Frauen als Stück Fleisch, dass man im Bett haben möchte, vermarktet und gleichzeitig wird beiden suggeriert, dass nur beruflicher Erfolg und Wohlstand glücklich machen. Die Jagd nach dem perfekten Körper und dem perfekten Leben wird zum Lebensinhalt.
Man könnte nun stundenlang auf Industrie und Werbefirmen schimpfen, aber da es kein Angebot ohne Nachfrage gibt, finde ich die folgenden Fragen viel interessanter: Warum wollen wir offensichtlich genau das, was uns von Werbeplakaten und Instagram entgegen fliegt? Was ist attraktiv an plakativer Oberflächlichkeit und einer Scheinwelt, die hinter ihrem Glamour so voller Abgründe ist?
Ich fand es früher beispielsweise völlig normal, jemanden anderen als meinen jeweiligen Partner sexuell attraktiv zu finden. Ich hätte mich wahrscheinlich nicht auf eine Affäre eingelassen, aber einen gut gebauten und vielleicht noch charmanten Typen live oder online anschmachten, warum nicht?
Was sollte auch schlimm daran sein: Ich male mir in meiner Fantasie aus, was wäre wenn, spreche mit niemandem drüber, halte mich an alle Regeln des Anstandes und es passiert ja überhaupt nichts, oder vielleicht doch?
Von heute aus gesehen finde ich, dass sehr wohl eine ganze Menge passiert.
Während ich das Objekt meiner Begierde anschmachte, vergleiche ich automatisch meinen Partner mit ihm, der dabei ganz eindeutig schlechter wegkommt. Und mit diesem Blickwinkel, dieser unausgesprochenen Abwertung begegne ich ihm, ob ich will oder nicht.
Egal ob offen kommuniziert („Du könntest auch mal wieder zum Sport gehen!“) oder verheimlicht, wie unangenehm und verletzend muss es sich für meinen Partner anfühlen, so abgewertet und auf sein Äußeres reduziert zu werden?
Heimtückisch finde ich daran, dass es gesellschaftlich so anerkannt ist, dass man überhaupt nicht auf die Idee kommt, diese Spielchen zu hinterfragen oder anzuschauen, wie versteckt man sie spielt. Man verletzt und fühlt sich verletzt, ohne dass sichtbar wird warum.
Die Begegnung mit Universal Medicine und der dort vorgestellten Weltanschauung hat mich vieles hinterfragen lassen, und ich war irgendwann bereit, an Stellen in meinem Leben ehrlicher hinzuschauen, an denen ich es bis dato vorgezogen hatte, mir mein Leben und mein Verhalten schön zu reden.
Schuld waren für mich immer andere oder das Leben an sich und daher war mein Wunsch logischerweise auch, dass andere um mich herum ihr Verhalten ändern, damit ich es leichter habe und endlich alles richtig ist. Das hat nie wirklich funktioniert, und Frust war garantiert.
Irgendwann habe ich Stück für Stück akzeptiert, dass nur ich etwas ändern kann. Ich kann niemanden um mich herum ändern, sehr wohl aber ganz entscheidend dafür sorgen, wie sich mein Leben anfühlt, wenn ich etwas bei mir ändere.
Der entscheidende Schritt hierbei ist Ehrlichkeit.
In Bezug auf das oben beschriebene Abwerten hieß das, anzuerkennen, dass es noch eine Schicht unter der Abwertung meines Partners gab, nämlich die Art und Weise, wie ich mich selbst anschaute.
Ich hatte hinter einer freundlichen und so perfekt wie möglich gehaltenen Fassade einen gigantischen Mangel an Selbstwert und versuchte, dieses Loch durch das Anschmachten anderer Männer und das Bewerten meines Partners zu stopfen. Frei nach dem Motto: „Angriff ist die beste Verteidigung!“.
Eigentlich habe ich mich aber die ganze Zeit selbst dafür verurteilt, dass ich nicht so gut aussah, nicht so erfolgreich war, etc.
Ich wollte ständig anders sein als ich war. Mit dem Schmerz, den das in mir auslöste, wollte ich mich aber partout nicht auseinandersetzen und fand es daher anfangs ziemlich herausfordernd, mein Verhalten und dessen Konsequenzen ehrlich anzuschauen.
Es ließ sich nicht so leicht verdauen, dass ich mit meinem scheinbar doch so belanglosen Verhalten das Entstehen wirklicher Intimität in meiner Partnerschaft untergrub - hätte ich doch gleichzeitig Stein und Bein geschworen, mir genau das, nämlich mehr Intimität und Tiefe sehnlich zu wünschen.
Mir die begehrlichen Blicke zu anderen Männern zu erlauben, ist aber eben genaugenommen ein Freibrief zum Fremdgehen und zur Verantwortungslosigkeit, den ich mir selbst ausstelle, egal ob ich das physisch auslebe oder nicht.
Wenn ich so lebe, trage ich intensiv dazu bei, dass wir uns beide in unserer Partnerschaft mangels Intimität nie wirklich erfüllt fühlen werden und dass unsere Beziehung wahrscheinlich früher oder später in die Brüche gehen wird.
Zur Erklärung: für mein Verständnis geht eine Beziehung bereits in die Brüche, wenn sich die Liebe nicht mehr vertieft und man Stück für Stück beginnt, nebeneinander her zu leben. Eine Trennung macht das dann nur final und offen sichtbar.
Wirkliche Intimität hingegen kann dann entstehen, wenn ich mich ehrlich und verletzlich zeige und nicht hinter Schutzmänteln aus Idealen, Erwartungen und Bildern verstecke; offen bin anzuschauen, warum mein Selbstwert so ist, wie er ist, und welche Baustellen es in meinem Leben gibt; mich aufmache, diese Baustellen anzugehen und Unterstützung dabei zulasse.
Alles schön und gut, aber wie um alles in der Welt macht man das in einer Welt, in der überall das Gegenteil präsentiert wird?
Für mich war der Knackpunkt, auch hierbei ehrlich anzuschauen, in was für einem Ausmaß ich mich selbst verurteile, bewerte, Leistung von mir erwarte und mir dabei Ziele so stecke, dass ich nur scheitern kann. So war immer eine Portion Frust garantiert. Ein selbstgebauter Teufelskreis.
Mit dem ehrlichen Anschauen meiner Selbstverurteilung wurde mir dann bewusst, wie unproportional diese war. Ich fokussierte mich immer auf die 2-5% in meinem Leben, die ich an mir kritisieren konnte und blendete den Rest komplett aus – und schaute alle anderen Menschen durch die gleiche Kritikbrille an.
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Als ich begann, bewusster die anderen 95-98% anzuschauen, konnte ich Stück für Stück akzeptieren, dass ich genug bin, so wie ich bin. Das war der Schlüssel zur Veränderung im Umgang mit mir selbst und mit anderen.
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So konnte ich auch anfangen, andere wirklich an mich heran zu lassen. Die anderen mussten kein Loch mehr in mir auffüllen, indem sie etwas für mich taten und waren daher freier, sie selbst zu sein.
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Das schaffte den Boden für wirkliche Intimität. Statt einer Welle von Erwartungen und Druck entstanden Schritt für Schritt mehr Offenheit, Wertschätzung und Verständnis.
Für mich setzte das der ständigen Suche nach etwas Besserem oder dem nächsten Kick immer mehr ein Ende und ist ein ständig andauernder Prozess, bei dem es immer wieder noch eine tiefere Schicht anzuschauen gilt.
Das Getriebensein auf der Jagd nach kurzfristiger Befriedigung ebbte so immer weiter ab. Stattdessen begann eine tiefere Intimität zu wachsen und mit ihr ein Niveau an Stille, Zufriedenheit und Verbundenheit, das ich nicht für möglich gehalten hätte.
Seit ich nicht mehr einem Idealbild von Schönheit und Attraktivität hinterher jage, habe ich, statt gefrustet im Fitnessstudio meinen Körper auf ein Idealmaß trimmen zu wollen witzigerweise plötzlich Lust, zum Sport zu gehen und mir Zeit für mich im Bad zu nehmen und fühle ich mich so schön und attraktiv wie niemals zuvor. Was wohl auch de facto der Fall ist, denn Selbstliebe und innere Gelassenheit erlauben einen Tiefgang und haben eine Ausstrahlung und Anziehungskraft, mit der plakative Oberflächlichkeit und Glamour einfach nicht mithalten können.
Gelistet unter
Beziehungsprobleme, Intimität, Kommunikation, Selbstwert, Gleichgeschlechtliche Beziehungen