Welche Bedeutung haben die Augen beim Esoteric Yoga?

Welche Bedeutung haben die Augen beim Esoterischen Yoga?

Welche Bedeutung haben die Augen beim Esoteric Yoga?

Sehen ist spüren

Unsere Augen machen unaufhörlich Überstunden. Wir Menschen haben die Angewohnheit, unser Weltbild aus dem zusammen zu basteln, was wir mit den Augen erfassen, und zwar auf Kosten der anderen Sinne und vor allem auf Kosten unserer Ganzkörperpräsenz.

Und so ist ein Teil des Esoterischen Yoga-Ablaufs den Augen gewidmet – die Teilnehmer setzen sich aus der Rückenlage auf ihrer Matte auf, die Beine entweder vor sich ausgestreckt oder ein Bein leicht angewinkelt, um ihren Körper und das Rückgrat zu unterstützen, und lenken ihre innere Aufmerksamkeit auf die Augen.

Und hier gibt es, wenn man sich darauf einlässt, viel zu fühlen – Anspannung oder Entspannung zum Beispiel; die unterschiedliche Stellung der Augen in den Höhlen, ob ein Auge weiter vorne oder auch höher als das andere sitzt. Die Augäpfel selbst können sich angespannt, unangenehm prall und sogar hart anfühlen und der Augenbereich insgesamt kann auch als taub und verhältnismäßig leblos empfunden werden.

Wir sehen einfach alles – ausnahmslos. Aber vieles kehren wir blitzschnell unter den Teppich, damit wir dann mit Überzeugung sagen können, wir hätten es nicht gesehen. Und das geschieht so geschwind, dass man nicht einmal behaupten kann, dass wir lügen. Stattdessen richten wir dann unsere Augen auf alles, was wir als richtig, falsch oder wichtig erachten, auf der unbewussten oder manchmal auch bewussten Suche nach Bestätigung dessen, was wir bereits zu wissen meinen oder noch wissen wollen.

Hier offenbart die Floskel ‚Nur zu sehen, was man glaubt‘ ihre Tücken – wir sehen alles, wollen aber nicht alles sehen, und weil wir sehen, was wir glauben, beschränken wir uns auf einen begrenzten Ausschnitt dessen, was uns zur Verfügung steht und in Wirklichkeit in unserem Blickfeld ist.

Wir sehen, was wir sehen wollen – und was wir nicht sehen wollen, sehen wir nicht.

So können wir zum Beispiel die Bedrängnis anderer oder deren Lieblosigkeit spüren, verschließen uns aber, machen dicht und symbolisch die Augen zu – bis es zu spät ist und wir uns der Realität stellen müssen. Aber es war uns unangenehm, das Gesamtbild zu sehen und so haben wir das, was uns präsentiert wurde, als unwichtig oder banal abgetan oder auch verleugnet.

Unsere Augen sind einfach dazu da, das zu bestätigen, was wir bereits gefühlt haben; unsere Hellfühligkeit gibt uns ein viel umfassenderes Bild von dem, was wirklich passiert oder bereits passiert ist. Und unsere Augen und deren Empfänglichkeit bestätigen es uns dann.

Zum Beispiel: Wir wissen alle, wie es sich anfühlt, wenn irgendwo dicke Luft herrscht – wir spüren, dass etwas vorgefallen ist und in der Luft hängt, aber das hat nichts mit unserer Sehweise oder Sehfähigkeit zu tun. Zuerst spüren wir es und dann mag es schon sein, dass wir ein grimmiges Gesicht oder eine gerunzelte Stirn erblicken. Oder wir beobachten fahrige Bewegungen oder hören Krach; ergo, wir fühlen bevor wir sehen.

"Wir sind energetische Wesen. Das bedeutet, dass wir Energie sind, lange vor der scheinbar physischen, dichten oder greifbaren Materie, die wir aus den Bildern machen, die unsere Augen empfangen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir das, was wir empfangen, zu einem Bild zusammensetzen, das unseren Idealen, Überzeugungen und Konzepten entspricht, und wir nicht alles 'sehen' und verwirklichen, was wir tatsächlich empfangen, um es zu sehen und verwirklichen zu können."

Serge Benhayon Esoteric Teachings & Revelations Band III, Ausgabe 1, S. 18

Im Esoterischen Yoga öffnen und schließen wir unsere Augen und prägen somit eine eher automatische, wenn nicht gar roboterhafte Bewegung, die wir jeden Tag tausendmal ausführen, neu. Es heißt, dass wir 10 % unserer Wachzeit mit geschlossenen Augen verbringen – so oft schließen wir sie. Und den meisten ist das nicht bewusst. Die kleinen Details, die wir spüren können, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf diese feinen und winzigen Bewegungen der Augenlider richten, indem wir sie in der Sitzung öffnen und schließen, gibt uns die Möglichkeit, unsere Präsenz zu vertiefen und unser Bewusstsein zu verfeinern.

Wenn wir unser Gewahrsein auf das Öffnen und Schließen der Augen richten, halten wir den Geist und unseren Körper zusammen und lassen unseren Kopf nicht auf eine andere Ebene ausweichen, sei es die Vergangenheit oder die Zukunft. Wir machen Schluss mit dieser Spaltung und der erschöpfenden und kopflastigen Angewohnheit, auf zwei Daseinsebenen zu existieren; eine, die vom Denken und allen möglichen Eskapaden und Verirrungen beherrscht wird und die andere, auf der sich unser Körper bewegt. Mit anderen Worten, wir praktizieren wahres Yoga = Einheit.

Es lohnt sich, wenn wir unseren Augen und der Bewegung unserer Augenlider über die Augäpfel dieses Maß an Sorgfalt und Aufmerksamkeit entgegenbringen. Wir können die Wärme und den Schutz, den die Augenlider bieten, spüren (wie schmerzhaft wäre es, keine Augenlider zu haben?); wir können die Rundung der Augäpfel (mit oder ohne Einschränkungen wegen Kurzsichtigkeit, Astigmatismus usw.) spüren; wir lernen, die Zartheit der Bewegung und die Harmonie der Verbundenheit zu schätzen und zu lieben.

Die Augen im Esoterischen Yoga ermöglichen größere Wertschätzung und die Ausdehnung in einen umfassenderen Kontext, in unsere Multidimensionalität, während wir stofflich und in einem menschlichen Körper sind.


Der Artikel wurde auch in Englischer Sprache veröffentlicht: Why do we work with the eyes in Esoteric Yoga?

Gelistet unter

Bewusste PräsenzEsoteric YogaKörperbewusstsein

  • Von Gabriele Conrad, Editor

  • Foto: Michelle Foulser, Photographer BA Hons