Nichts Neues unter der Sonne
Nichts Neues unter der Sonne
Wir werden nicht nur täglich, sondern sekündlich über die Medien mit Neuigkeiten beflutet: technische Gadgets wie Smartphones und Tabletts heute gekauft, scheinen morgen schon veraltet und werden von neuen, schnelleren, besseren abgelöst, neue Infos zu COVID-19 Testzahlen und welche Schutzmaßnahmen aktuell und gleich als nächstes gültig sein werden, tickern live über den Screen. Neu, neu, neu – so scheint es. Neu, wenn wir es in der zeitlichen Abfolge erleben – gestern, heute, morgen, eben, jetzt, gleich und dann. Ständig passiert etwas in unserem Leben, eins nach dem anderen, das Neue löst das Vorherige ab.
Die dem König Salomon zugesprochenen Worte „Nichts Neues unter der Sonne" und die dazugehörigen Verse im Buch Kohelet des Alten Testaments der Bibel datieren einige tausend Jahre zurück und ergründen in Tiefe die Vergänglichkeit des weltlichen Geschehens, das im Reiz des Neuen sich selbst am Leben hält.
So gewohnt und kollektiv akzeptiert ist für uns diese Sichtweise, dass wir in der Regel überhaupt erst einmal auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht werden müssen, dass es auch eine andere Wahrnehmung des Lebens und all der neuen Momente geben könnte. Dass Zeit nicht notwendigerweise der Marker für neu oder alt ist, oder gar, dass neu und alt weniger Bedeutung haben für unsere Lebensqualität und persönliche wie gesellschaftliche Entwicklung als selbstverständlich angenommen.
Doch die Worte „Nichts Neues unter der Sonne" reichen noch viel weiter, sie sprechen von der Ewigkeit der Sonne und des Universums, ja, des Göttlichen, das die künstliche Vergänglichkeit, die unser Alltag zu sein scheint, beobachtet und beherbergt, während wir im Prozess des Zurückfindens zu eben jener Unvergänglichkeit sind, von der wir unweigerlich Teil sind. In dieser Unvergänglichkeit gründen die Alterslose Weisheit, ihre Lehren und Wahrheiten, die, obgleich sie in Gestalt und Ausdruck Wandel erfahren durch die Zeiten und Kulturen der Menschheitsgeschichte hinweg, in ihrer Essenz unverändert und unbeirrt den Weg zurück aus der Vergänglichkeit des menschlichen Daseins in die gelebte Präsenz göttlicher Allgegenwärtigkeit weisen.
Es ist die Alterslosigkeit, die weder neu noch alt sein kann, es sind die unveränderlichen Prinzipien und Gesetze, die von Zeit unberührt existieren. Und während sich die Schreiber des Buch Kohelet ausgiebig ergehen über die Nichtigkeit des Lebens, die Sinnlosigkeit menschlichen Strebens und Schaffens, so kündet die Alterlose Weisheit vielmehr von dem Einen, das Sinn ist und Sinn schafft, welches das Leben erhebt aus der Vergänglichkeit in den ewigen Kreislauf der Evolution zurück ins Göttliche, aus dem wir vermeinen, uns herausgenommen zu haben oder herausgefallen zu sein. Dieses Eine ist repräsentiert von der Sonne, von deren Licht und Wärme wir umfangen sind, selbst in der Nacht, von der wir gesehen und gewärmt, genährt und gesegnet sind, während wir frei von Zeit in der von uns selbst gewählten Zeit im Zyklus der Rückkehr sind.
Die vergänglichen Nichtigkeiten, welche unter der Sonne in all ihrer vielfältigen Wiederholung nichts Neues hervorzubringen vermögen, da sie leer sind von dem, was alterslos ist, und sich daher beständig in anderem Gewand reproduzieren müssen, werden von der Sonne gesehen und erkannt für was sie sind – vergängliche Schatten, die sich selbst enttarnen werden als gewählte Illusion und dann auflösen in ihrem Licht. Was uns Zeit ist, ist bloß Maß für die Eklipsen des Lernens und Heilens, die wir drehen bis zur Rückkehr zum Anfang, eben jenem Anfang, bevor wir in die Zeit eingetreten sind, in der Werden und Vergehen ständig scheinbar Neues hervorbringen und wieder hinter sich lassen.
So wechselreich und in den Bann ziehend sind diese kreativen Neukostümierungen, dass die ständige Wiederholung des Sujets nicht weiter Beachtung findet; alter Wein in neuen Schläuchen tut dem Bedarf Genüge, um abgelenkt zu bleiben von der alterslosen Frage, wer und was wir tatsächlich sind und worum es hier auf Erden für uns geht. Das Eigentliche bleibt verschleiert und so geht es einfach weiter im Reigen der Ignoranz.
Doch nicht auf immer, denn wir können ihr nicht entgehen, so sehr wir uns auch in die Schatten zurückziehen, der Sonne, der ewigen liebenden Wahrheit, die uns mit väterlicher Gewissheit beschaut und hält, wissend, dass wir alle schließlich aus den Schatten treten und uns der Sonne zuwenden werden – in unserer eigenen Zeit, durch eigenen freien Willen, durch unsere eigenen selbstgewählten und gelebten Schritte.
Und so ist der Menschenweg um die Sonne und unter ihrem Antlitz zurück ins Licht, um wieder Gleiches von Gleichem zu sein im dem einen Licht, das wir alle sind.
Gelistet unter