Mein Leben mit Heavy Metal

Mein Leben mit Heavy Metal

Mein Leben mit Heavy Metal

Ich erinnere mich noch genau, ich war 12 Jahre alt und es war Anfang der 80er. Ich lag abends im Bett und hörte Radio, einen englischen Sender, der vorwiegend internationale Musik spielte, als plötzlich ein Lied einer neu aufkommenden Musikrichtung gespielt wurde, der „New Wave of Britisch Heavy Metal“.

Der Rhythmus hatte eine Geschwindigkeit, die ich noch nie gehört hatte, die Gitarren einen verzerrten Sound, den ich noch nie gefühlt hatte, die Stimme eine Macht, die mich anzog. Die Musik schoß mir in den Körper und ich schrie innerlich „jaaaaaaa“ und hatte das Gefühl: Endlich hörte ich etwas, was meiner inneren Wut und Verzweiflung entsprach und dem Ausdruck gab. Ich war angefixt und hörte seitdem nur noch Heavy Metal in all seinen Formen. Ich hatte auch gerade angefangen, Schlagzeug zu spielen und Heavy Metal und Rockmusik wurde meine Art, mich auszudrücken für die nächsten 25 Jahre.

Ich hatte in meiner Kindheit und Jugend immer Angst. Angst in die Schule zu gehen und den dortigen Anforderungen nicht gerecht zu werden. Nicht schnell genug und intelligent genug zu sein. Ich hatte das Gefühl, den Erwartungen meiner Eltern und der „Welt“ nicht gerecht werden zu können. Die Versagensangst vor dem Abitur war immens und die letzten zwei Jahre in der Schule gingen einher mit chronischen Mandelentzündungen.

Über diesen Lebenszustand war ich so wütend und auch enttäuscht über das Leben an sich.

Erst als ich auf die 40 zuging fing ich an zu verstehen, warum mich diese Art von Musik so in ihren Bann zog: Ich fing zu dieser Zeit an, mich mit Selbstwertschätzung zu beschäftigen.

Erst las ich einige Bücher, später hatte ich Kontakt mit Behandlungsmethoden von Universal Medicine und ich machte Gesangs- und Ausdrucksworkshops bei Chris James.

Das ständige „sich-selbst-verurteilen“ wurde mir immer bewusster und ich fing an, mich mehr und mehr selbst zu mögen und mich lieb zu haben. Ich konnte endlich mit dem Rauchen aufhören, weil mir mein Körper inzwischen so viel mehr wert war, dass ich ihm das Rauchen nicht mehr antun wollte. Auch Alkohol wollte ich nicht mehr in mir haben.

Ich erlaubte mir Stück für Stück zarter zu werden und beobachtete dabei, dass mich die Heavy Metal Musik gar nicht mehr anzog. Ich bemerkte, dass mein Körper nicht mehr auf diese Art von Musik resonierte. Ich konnte nun verstehen, dass mein Körper auf das resoniert, was er selbst in sich trägt.

Bin ich wütend, resoniert Heavy Metal, bin ich zart mit mir, empfinde ich Heavy Metal plötzlich als schmerzhaft im Körper.

Mein Körper resonierte zunehmend auf Harmonie statt auf Disharmonie.

Ich betrachtete die Menschen der ganzen Heavy Metal Szene nun nochmal ganz neu. Dadurch, dass ich nun eine ganz andere Wahrnehmung von mir und Beziehung zu mir selbst hatte, konnte ich sehen, dass mir viele von ihnen wohl ganz ähnlich sind in der Art und Weise, dass man trotz ihrer äußeren Erscheinung eine Zartheit in ihnen wahrnehmen kann und dass die Musik ein Ausdruck des eigenen inneren emotionalen Zustandes ist.

Ich weiß jetzt, wodurch meine Wut und Enttäuschung als Kind, Jugendlicher, und auch lange Zeit noch als Erwachsener, in erster Linie verursacht wurde: Ich habe mir lange Zeit nicht erlaubt, so zart zu sein, wie ich es tatsächlich bin.

Der Prozess, als Mann wieder zart zu werden, was für mich bedeutet, ich darf so sein, wie ich bin, ist für mich noch nicht am Ende. Ich lerne das „Erlauben“ noch weiter, denn ich merke immer wieder, da geht noch viel mehr.

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  • Von Christian Krämer