Die Angst sich frei auszudrücken

Wir haben wohl alle schon mal die Erfahrung gemacht, dass wir etwas sagen wollten, uns aber zurückgehalten und es doch nicht ausgedrückt haben.

Vielleicht wollten wir:

  • Jemandem sagen, wie sehr wir ihn schätzen ...
  • Ein unangenehmes Thema ansprechen...
  • Etwas sagen, von dem wir wussten, dass es dem anderen vielleicht nicht gefallen wird ...
  • Sagen, wie wir uns wirklich fühlen ...
  • Unsere eigene Wahrheit ausdrücken, entgegengesetzt der Meinung des anderen, ...
  • Unsere Freude ausdrücken ...

… und doch haben wir es nicht getan.

Warum? Warum gibt es so viel, was wir ausdrücken möchten, es aber nicht tun?

Könnte es sein, dass Angst eine Rolle dabei spielt und dass sie einen viel größeren Einfluss hat, als wir in Betracht ziehen? Wie Michael Benhayon beschreibt: "Wenn man Angst erlebt, fühlt man sich nicht sicher, sich auszudrücken."

Ängstlichkeit und Angst sind eine weltweite Epidemie, wenn auch oft eine versteckte, da wir diesen Zustand nur mit extrem angstbezogenen Verhaltensweisen verbinden, wie z. B. einer Reaktion auf eine sehr bedrohliche Situation. Tatsache ist, dass Angst von vielen unterschiedlich in ihrer Intensität erlebt wird. Aber woher kommt sie? Es gibt viele mögliche Antworten zu diesem Thema. Einer der Gründe für Angst, der es wert ist, genauer betrachtet zu werden, sind zum Beispiel Reaktionen.

Reaktionen

Wenn jemand etwas sagt, gibt es zwei Möglichkeiten, wie darauf geantwortet wird. Die eine Antwort lässt uns so sein, wie wir sind, es wird aus dem Herzen gesprochen, ohne Emotionen oder Erwartungen und wir sind in Kontakt mit unserer Essenz und Seele. Mit so einer Antwort fühlen wir uns gut in der Lage umzugehen.

Die andere Antwort, die aus einer emotionalen Reaktion erfolgt, gibt keinen Raum und geht einher mit festgelegten Meinungen, Bildern, Erwartungen und Verletzungen. Mit solch einer Reaktion können wir oft nicht oder nur schwer umgehen. Es ist also nicht so, dass eine Person notwendigerweise Angst hat, sich zu äußern, sondern sie fühlt sich vielleicht nicht immer gerüstet, mit der Reaktion umzugehen, die auf sie gerichtet sein könnte.

Menschen können auf verschiedene Arten reagieren, zum Beispiel:

  • Wütend, traurig, frustriert, verärgert oder mit anderen negativen Emotionen
  • Mit Schreien, Weinen oder mit Schweigen und Ausignorieren
  • Eifersucht als Folge des Gesagten
  • Rückzug und beleidigt sein
  • Rechtfertigung und Besserwissen
  • Angriff
  • Be- oder Verurteilung

Jede einzelne dieser Reaktionen ist Teil einer endlosen Liste von dem, was wir vermeiden möchten. Wir leben also auf eine Art und Weise, in der wir Reaktionen anderer Menschen vermeiden, ebenso wie wir unsere eigenen Reaktionen zu vermeiden versuchen. So zu leben hindert uns daran, all das auszudrücken, was wir sagen möchten.

Ein Gegenmittel für diese Ängstlichkeit könnte darin bestehen, einen Raum frei von Urteilen und Reaktionen zu schaffen, in dem sich jeder Mensch sicher fühlen kann, all das zu sagen, was er möchte. Das würde unser psychisches Wohlbefinden enorm unterstützen.

Was wäre, wenn jeder Mensch auf dieser Welt sich dafür verantwortlich fühlen würde, zuallererst einen Raum für sich selbst zu schaffen, in dem er sich sicher fühlt und so gleichzeitig diesen Raum auch anderen zu bieten, so dass sie sich auch sicher fühlen können, sich frei auszudrücken.

Es gibt bestimmte Grundvoraussetzungen, die diesen Raum ermöglichen.

Zunächst einmal muss eine Bereitschaft da sein, sich für die Situation und für den anderen Menschen zu öffnen. So kann man eher eine Beobachterrolle einnehmen und sich dadurch der eventuellen beiderseitigen Unsicherheiten und Erwartungen bewusst werden. Das schafft Raum für einen respektvolleren Umgang miteinander.

Fürsorglichere und liebevollere Entscheidungen für sich selbst sind die Basis, um mit seinen eigenen Reaktionen bewusster umzugehen und dem anderen überhaupt innerlich auf Augenhöhe begegnen zu können.

Ist es nicht ein Ausdruck von wirklicher Liebe, wenn wir den anderen ohne Wertung sein lassen können, wie er ist, ohne gleichgültig zu sein, sondern offen und wach zu hören, was er ausdrücken möchte? So könnten wir uns wieder dafür öffnen, den Reichtum des Miteinander Seins wertzuschätzen, anstatt dass jeder von uns aus Angst vor Reaktionen seine Wahrheit und seinen Ausdruck zurückhält.


Frei übersetzt aus dem Englischen. Originalartikel: Anxiety and expression... are they related?

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  • Foto: Iris Pohl, Photographer and Videographer