Teenager – der moderne Mythos der Adoleszenz

Jugend, die wilden Jahre der Teenagerzeit

Teenager – der moderne Mythos der Adoleszenz

Das Wort Adoleszenz kommt von dem lateinischen Wort adolescere, was heranwachsen bedeutet.

Wenn man 11- und 12-jährige Kinder fragt: „Was bedeutet es, erwachsen zu werden? Was bedeutet es ein Teenager zu sein?", antworten sie häufig: „Dass man endlich machen kann, was man will: trinken, sich von Zuhause rausschleichen, nicht auf die Eltern hören, mit Freunden abhängen, ausschlafen bis in die Puppen, nicht viel tun, sich um nichts scheren und riskante Sachen machen."

Das ist ihr Bild der Teenagerzeit. Sie sehen sie nicht als eine Phase der Entwicklung zum Erwachsenwerden. Es basiert alles auf der Vorstellung, dass die Teenagerzeit die „wilden Jahre" sind.

Allgemein herrscht in unserer Gesellschaft die Auffassung, dass die Teenagerjahre oder die Jugend deine Zeit ist, eine Zeit, in der man sorglos sein und sich selbst in der Welt „finden“ kann, bevor man als Erwachsener Verantwortung übernehmen muss. Denn Verantwortung wird oft mit Freudlosigkeit und Schwere verbunden.

Unsere Gesellschaft fördert eine Teenager-Kultur der Verantwortungslosigkeit unter dem Deckmantel der „wilden Jahre", und dieses Bild wird mit der aktuellen Werbung und Kultur, die die Jugend und die „sorgenfreien" Jahre verherrlicht, kräftig gefördert. Damit wird sehr wenig Verantwortung von unseren jungen Menschen verlangt.

Einige Zitate aus einem Buch für Teenager zum 18. Geburtstag machen es deutlich, wie sehr wir Verantwortungslosigkeit normalisiert haben und sogar verherrlichen:

  • Mach dir keinen Kopf, es muss nicht alles geregelt sein. Genieße einfach den Tag und feiere dich.

  • Irgendwann solltest du zwar entscheiden, wo dein Weg hinführen soll, aber das muss echt nicht heute sein.

  • Du solltest dir auch weiterhin nicht nehmen lassen: bis mittags schlafen und den Eltern auf die Nerven gehen.

  • Zieh in deine eigenen vier Wände, in eine chaotische WG oder bleib einfach auf unbestimmte Zeit im Hotel Mama wohnen.

  • Das Gute ist, du kannst jetzt überall und jederzeit ein Gläschen bestellen und musst nicht mehr deine volljährigen Freunde vorschicken oder die Minibar deiner Eltern plündern.

Es geht weiter damit, wie schnell Extreme in der Gesellschaft normalisiert und akzeptiert werden. Dies zeigt sich in dem Ausmaß von Aggression, Gewalt, Mord und Vergewaltigung, die in Computerspielen zu finden sind, in der Verherrlichung von sexueller Gewalt in Musikvideos und Filmen sowie in Hasstiraden, die als Mittel der Kommunikation im Internet unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit angewendet werden, bis hin zu Prominenten und Sporthelden, die idealisiert und als Vorbilder dargestellt werden, indem wir zu ihnen aufschauen und/oder danach streben, wie sie zu sein, obwohl das persönliche Leben vieler in einer Krise steckt.

Eine Gruppe von 11- und 12-Jährigen beschreibt, was sie aneinander beobachten und was üblich unter ihnen ist – Online Mobbing, Cliquenbildung, Androhungen andere zu schlagen oder einzuschüchtern, generell Probleme aneinander auszulassen, bewusst Konflikte zu schaffen, sich nicht um andere zu kümmern, taffes und cooles bis hin zu gangsterhaftem Verhalten.

Einige dieser Kinder, die diese Verhaltensweisen schon angenommen hatten, wurden gefragt, warum sie dieses Verhalten wählen würden, woraufhin ein Junge sagte: „Wenn wir das jetzt nicht schon tun, wie sollen wir dann weiter durch die Schulzeit kommen; wir würden doch nur gemobbt werden".

Auf die Frage: „In welchem Alter hören diese Verhaltensweisen auf?" gab es verschiedene Antworten - einige sagten mit 18, andere, wenn man die Schule verlässt, noch andere sagten mit 25.

Daraufhin wurden sie gefragt: „Hören diese Verhaltensweisen sofort auf, also in dem Moment, in dem man 18 wird? Wenn du also ein Erwachsener sein willst, bist du dann plötzlich einer?" Da haben sie gelacht: „Natürlich nicht." Und eines der Kinder meinte: "Wenn du deine Familie oder Freunde jahrelang behandelt hast, wie du wolltest und einfach immer getan hast, was du wolltest, dann hast du sie sehr verletzt, also müsstest du ihnen irgendwie zeigen, dass man dir wieder vertrauen kann, und das könnte lange dauern. Und wenn du ein fauler Teenager geworden bist, dann wird es vielleicht schwer sein, wieder zu arbeiten und Sachen zu erledigen."

Alle stimmten darin überein, dass, wenn man auf unverantwortliche oder rücksichtslose Weise gelebt hat, es einige Zeit braucht, Beziehungen wieder aufzubauen, zu lernen, wieder auf eine andere Art und Weise zu leben und man sich wieder daran gewöhnen muss, zu arbeiten und verantwortlich zu sein, Dinge für sich selbst zu regeln und sich im Leben zu engagieren.

Die Kinder wurden dann weiter gefragt: „Wie wäre es, wenn du deine Teenager-Jahre nicht verschwendest und stattdessen darauf hinarbeitest, die Person zu sein, die du als Erwachsener sein willst, wie wäre das?" Ein Kind sagte: „Dann würdest du nicht dein halbes Leben vergeuden"; ein anderes Kind sagte: „Viele hören gar nicht damit auf, viele Erwachsene sind noch so und benehmen sich immer noch unverantwortlich."

Wie kommt es also, dass wir als Gesellschaft nicht mehr von unseren jungen Menschen verlangen, warum vermeiden wir sie verantwortlich sein und von vorneherein in diesem Bewusstsein aufwachsen zu lassen?

Dies würde gleichermaßen Eigenverantwortung von uns allen verlangen, diejenigen, die sie erziehen, den Medien, der Regierung, von Prominenten. Alle Erwachsenen in der Gesellschaft würden gefragt werden, ein Spiegelbild dieser Integrität und Verantwortung zu sein. Diese Verantwortung und Integrität in ihrem eigenen Alltag zu leben, um unsere Jugendlichen darin zu unterstützen.

Wir müssen uns bewusst machen, dass, wenn wir Kommentare wie „typisch Teenager" machen, um eine Laune oder rücksichtsloses Verhalten zu beschreiben, wir dem jungen Menschen damit sagen, dass dieses Verhalten normal und okay ist. Damit geben wie ihnen eine Freikarte, sich so zu benehmen, wie sie wollen und sie für ihr Verhalten nicht zur Rechenschaft gezogen werden oder Verantwortung übernehmen müssen, was den Entwicklungsprozess junger Menschen in keinster Weise unterstützt.

Aus den Gesprächen mit den Jugendlichen ist zu entnehmen, dass sie genau wissen, was passiert und was ansteht, man kann also sagen, sie sind auf ganz natürliche Weise verantwortungsbewusst. Indem wir sie aber sozusagen „vom Haken lassen", mit der Begründung, es seien ihre Teenagerjahre, lassen wir einen Zeitabschnitt von unverantwortlichen Verhaltensweisen in ihrem Leben zu und fördern diese sogar. Wie soll denn ein Mensch, der in jungen Jahren Verantwortungslosigkeit gelebt hat, auf eine reale und fühlbare Grundlage von Lebenserfahrungen, wie man auf sinnhafte Weise im Leben steht, zurückgreifen?

Es fängt bei uns an. Wir sollten diese Verhaltensweisen hinterfragen, wenn wir sie sehen und nicht einfach als Normalität akzeptieren.

Es ist eigentlich ganz natürlich, als junger Mensch mehr Verantwortung zu übernehmen zu lernen, wie man zurückgeben und etwas beitragen kann und damit die Fähigkeiten zu entwickeln, Vertrauen in sich als engagierter und liebevoller Mensch aufzubauen. Wenn wir das unterstützen, in dem Wissen, dass die jungen Menschen es schon in sich tragen, haben sie die Möglichkeit, sich darin zu entwickeln und die Schritte zu tun, um sich selbst als verantwortungsvolle und reife Menschen zu betrachten.


Frei übersetzt aus dem Englischen. Originalartikel: What does it mean to be a teenager – the modern day myth of adolescence

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