Stefanies Weg in wahre Freiheit.

Ich kann mich erinnern, dass ich schon als ganz kleines Kind wusste, was ich später einmal werden wollte, wenn ich erwachsen bin: frei!


Das wusste ich, lange bevor ich Schauspielerin, Kassiererin oder Archäologin werden wollte. Es war ein tiefes Wissen in mir und ein Ruf, bei dem ich das starke Gefühl hatte, dies ist das allerwichtigste im Leben und ich darf es niemals aus den Augen verlieren, auch wenn bald die ganze Komplexität der Welt auf mich einstürmen würde mit all ihren Bedingungen, Erwartungen, Sprachen, Bildern und Verirrungen.

Und genau das nahm ich mir vor, kurz nachdem ich, noch bevor ich sprechen konnte, den evolutionär bedeutsamen Schritt getan hatte, wieder auf meinen zwei Beinen zu stehen. Das klingt vielleicht komisch, ist aber eine der stärksten Erinnerungen, die ich habe und sie ist umgeben von einer Aura von Zeitlosigkeit. Im Gegensatz dazu, dass ich später sowohl nach den vielen Jahren Schule als auch nach den vielen Jahren Studium, nicht im Geringsten das Gefühl hatte, dass ich nun „ausgebildet“ sei, wusste ich am Anfang meines Lebens, dass es eine „Ausbildung“ gibt, die mich für das Leben öffnet und bereit macht. Ich schrieb mich bei klarem Bewusstsein als 3-jährige ein.

Und dann kam die erahnte Welle von Komplexität mit all ihrem Durcheinander und ich fühlte mich von da ab wie in einem schnell dahin fließenden Bach mit tiefen Stromschnellen und herausragenden Felsen, gegen die ich prallte, und ich wusste nur, dass ich diese eine Verbindung nicht loslassen durfte, auch wenn es in meinem Leben Zeiten gab, in denen sie nur ein Schimmer oder eine Hoffnung, oder der Schimmer einer Hoffnung war.

Erst heute nach einigen Jahrzehnten leben, habe ich die „Verbindung“ wieder ganz bewusst „in die Hand genommen“ und wenn ich daran ziehe, kann ich der 3-jährigen ein Zeichen geben. „Alles klar hier, die Luft ist rein, dein Gefühl ist richtig, halt durch!


Mit der „Welle von Komplexität“ kam auch das Gefühl von Isolation und der Wunsch das Ganze verstehen zu wollen und wieder später es zu beherrschen, um nicht darin zu ertrinken. Leben wurde zu Überleben. Zum Glück hatte ich meinen Ausbildungsvertrag schon in der Tasche.

Sehr schnell lernte ich, meine große Feinfühligkeit und ursprüngliche Verbundenheit einzusetzen, um Situationen und Menschen „auszuspionieren“.

Ich lernte, wie ich meine Eltern mit einem Blick oder einer Haltung dazu bringen konnte, Dinge zu tun oder zu lassen. Ich war z.B. schon als Säugling eine Nachteule und habe erst spät geschlafen. Das bedeutete, dass ich im Alter von z.B. 5 Jahren hellwach war, wenn meine Eltern mich zu Bett brachten. Ich war überhaupt nicht müde und dachte mir aus, wie ich es schaffen konnte doch noch einmal ins Wohnzimmer zu kommen, um mich dann dort sofort in Unsichtbarkeit zu hüllen, damit ich nicht mehr wahrgenommen wurde und fern sehn konnte, bzw. eben einfach noch am Leben teilnehmen, wie ich es damals empfand. Nachdem ich mir im Bett liegend überlegt hatte, wie ich es mache, stand ich auf, griff zur Türklinke und stand scheinbar schlaftrunken und niedlich im Türrahmen und sagte dann Dinge, die meine Eltern entweder so süß und entzückend oder auch so lustig fanden, dass sie mir aus lauter Freude an ihrer Tochter erlaubten, noch einen Moment zu bleiben. Ich wusste, welche Knöpfe ich drücken konnte und auch mit welchen Mitteln.


Bereits 2 Jahre nachdem ich mir vorgenommen hatte „frei“ zu sein, hatte ich mich in die größte Unfreiheit des Menschseins begeben. Ich kalkulierte, manipulierte und kontrollierte Menschen und Situationen. Und was mich von da an endgültig unfrei machte war, dass ich es wollte.


Dies entstand aus dem Gefühl, es sei die einzige Chance zu überleben. Und wenn es alle so machen, muss es mein Ziel sein es besser als alle zu machen, denn so sind die Spielregeln des Überlebens. Ich frage mich heute, woher ich das so schnell und mit allen raffinierten Details wusste? Interessant! Wie ein Download von einem Programm, welches von da ab für lange Zeit meine Lebensrealität sein sollte.


Auch wenn dieses Beispiel vielleicht harmlos erscheint, sehe ich darin ein Verhalten, welches nicht harmlos ist. Es ist in meinen Augen eine der Ursachen für die Miseren der Menschheit inkl. Kriegen, die sich auf allen Ebenen des Zusammenlebens abspielen. Wie sich dieses kontrollierende Verhalten in meinem persönlichen Leben weiter ausspielte, in Freundschaften, Partnerschaften und Beruf, soll ein anderer Artikel sein.


Die nächste Stufe von Unfreiheit begann, als ich etwa 7 Jahre alt war. Ich vergaß, dass ich es war, die die Manipulation und Lügen leben wollte, um zu überleben, und ich begann mich als ein Opfer der Umstände zu fühlen. Ich begann die Ursache und auch die Lösung des Problems im Außen zu suchen. Das gab mir die Rechtfertigung für all das, was ich dachte, sagte und tat und vor allem dafür, dass ich glaubte, alle Gründe zu haben, mich schützen zu müssen. Ich hatte die Isolation, die vor 4 Jahren das erste Mal an die Türe geklopft hatte, nun endgültig hereingelassen und wir lebten zusammen in dem Turm, den ich mir damals zu bauen begann.


Mir kommt das Bild, dass ich mit diesem Turm auf dem „großen Schachbrett“ gegen andere spielte. Ich kann gar kein Schach spielen, denn dieses Spiel schien mir immer meinen Intellekt zu übersteigen und das lange Vorausplanen und die extreme Kopflastigkeit erschienen mir weder erstrebenswert, noch unterhaltsam... und dennoch machte ich alles dies im Leben selbst mit Hingabe.


Der Kampf ums Überleben ist scheinbar immer ein Kampf gegeneinander. Das alleine macht ihn schon dazu, aber es fällt gar nicht mehr auf, solange man sich darin bewegt und nicht mehr das Gefühl hat, es gäbe noch einen Horizont und einen Sonnenaufgang oder Schmetterlinge.


Mit der Entscheidung an dem Spiel teil zu nehmen und die Isolation als Teil davon zu akzeptieren hatte ich den ersten Schritt in die Unfreiheit getan. Damit die Spielregeln zu akzeptieren, den Zweiten. Mit der Entscheidung darin besser sein zu wollen als (möglichst alle) andere(n), den dritten und mit der Entscheidung die Ursache für all das im Außen zu suchen, waren die 4 Wände meines selbstgemauerten Gefängnisses hochgezogen und fertiggestellt. Es schien dann auch gar nicht mehr so schlimm zu sein, denn alle anderen wohnten in ähnlichen Gebäuden. Und es gab Möglichkeiten es sich darin bequem zu machen. Man konnte sich zuwinken und sogar Freundschaften eingehen und Beziehungen – auch einen Beruf konnte man ausüben. Es war wie in der Trueman Show.

Bei aller Komik, die das auch hat, ist wahrscheinlich jedem – vielleicht auch aus eigener Erfahrung – klar, wie hoch der Preis dafür ist, diese „Normalität“ aufrecht zu erhalten, sich damit auf eine Art im Kreis zu drehen, die nach Entwicklung aussieht, es aber nicht ist.

Unfreiheit eben. Und wo war die Dreijährige und was war mit meinem Ausbildungsvertrag?

Seit einigen Jahren lerne ich nun diese 4 wesentlichen Irrtümer und mein daraus selbstgebautes Gefängnis zu verstehen und mich zu entscheiden, Stein für Stein der massiven Mauern anzusehen und wieder abzubauen.

Der Kompass, den ich schon als Dreijährige in der Hand hielt, war auf Wahrhaftigkeit ausgerichtet. 38 Jahre später war ich - durch die Höhen und Tiefen aller Ver-Suche, innerhalb der Gefängnismauern (jenseits von Wahrhaftigkeit) ein irgendwie gutes und sinnvolles Leben zu führen - an einem Tiefpunkt angelangt. Ich war erschöpft, ich gab auf und dies sollte zu einem Wendepunkt werden, denn es begegnete mir eine gelebte Wahrhaftigkeit in verschiedenen anderen Menschen. Durch diese Reflexion konnte ich an das, was ich bereits wusste und als Kind so sicher gefühlt hatte, wieder anknüpfen. Mit der wieder entdeckten Wahrhaftigkeit habe ich entscheiden können, die Isolation nicht länger als einen Teil meines Lebens zu akzeptieren.

Und es war ebenfalls die Erinnerung an meine Wahrhaftigkeit, die mir die Kraft gab, Lebenskonzepte in Frage zu stellen, die ich lange akzeptiert hatte. Und auch die Kraft, mir anzusehen, was ich so lange Zeit meines Lebens gemacht habe. Wie ich mit mir selber und wie ich mit Menschen umgegangen bin. Mit denen, die ich geliebt habe und mit denen, die ich nicht geliebt habe. Um nicht gleich wieder die nächste Mauer - dieses Mal aus Scham - zu bauen, hilft es mir schrittweise Ehrlichkeit, Akzeptanz, Wertschätzung und ja, Liebe, für mich zu entwickeln. Und zwar nicht die Wertschätzung für eine Leistung oder einen Sieg, sondern die Wertschätzung für innere Werte, die ich von Anbeginn in mir trage und die ich lange Zeit als nicht lebbar erachtet hatte: Zartheit, Verletzlichkeit, nicht perfekt sein, meine natürliche Schönheit und mein Frau sein, Verbindung, Feinfühligkeit und Verspieltheit jenseits von Kalkül, bedingungslose Hingabe an Freundschaften und meine Liebe für Menschen mit allem, was sie sind.

Und erst seitdem ich beginne, die Schritte in die Unfreiheit sozusagen wieder rückwärts zu gehen (zurück in die Zukunft), beginne ich an die Klarheit und tiefe Weisheit der 3 jährigen anzuknüpfen.

Dies ist nicht immer einfach denn die vielen „Spielzeuge“ und Errungenschaften, die Pokale und Bequemlichkeiten gilt es alle wieder herzugeben – aber dies ist ein Teil der wahren Ausbildung, die ich schon immer machen wollte!

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  • Von Stefanie König, Grafik Designerin

  • Foto: Iris Pohl, Photographer and Videographer