Selbstwert auf dem Selbsthilfemarkt – wonach suchen wir eigentlich?
Selbstwert auf dem Selbsthilfemarkt – wonach suchen wir eigentlich?
Selbsthilfe ist zum Schlüsselwort für persönliche Problemlösungsstrategien geworden und hat als begehrtes Gut auf einem ertragreichen Markt expandiert.
Schauen wir uns diesen Markt jedoch genauer an, mit all den Versprechungen darauf, den Erfolgs-Jackpot zu knacken und endlich das „Leben deiner Träume” zu leben, werden hier oft nur Wünsche und Bedürfnisse entfacht, die permanente Spannung und Unzufriedenheit durch meistens verführerische, schnelle und vorgefertigte Lösungen zu beheben.
Die Branche lebt von dem ständigen Streben nach Selbstverwirklichung, die man über den Ladentisch kaufen kann. Dabei wird häufig vergessen, die Teilnehmer einzuladen zu fühlen, wer sie wirklich sind und die zugrunde liegenden Dynamiken und Probleme zu verstehen, die im Wege stehen, wenn es darum geht, unseren wahren Wert und unser wahres Sein – in all unseren Beziehungen – zu fühlen und zu leben.
Wir wissen, dass zwischenmenschliche Beziehungen ein wesentlicher Teil des menschlichen Seins und Lebens sind, und dennoch straucheln die meisten Menschen in diesem Bereich. Dabei sind Beziehungen wahrscheinlich der einfachste und einzige Weg zum wahren Sein und einem erfüllten Leben. Das scheint im Gegensatz zu der momentan eher schwierigen oder scheinbar unlösbar anmutenden „Aufgabe” zu stehen, zu der wir unsere zwischenmenschlichen Beziehungen haben verkommen lassen.
In der frühen Kindheit ist ein wesentliches Element für unser psychologisches Wohlergehen und unsere physische Entwicklung die „Qualität“ der zwischenmenschlichen Beziehungen mit den Menschen, die uns umgeben. Die Qualität und Stimmigkeit unserer ersten Beziehungen sind von signifikanter Bedeutung, weil sie uns unseren innewohnenden Wert (mehr oder weniger) reflektieren und bestätigen. Warum sollte das bei Erwachsenen anders sein?
Wenn es an diesem Sinn, an dem innewohnenden Wert mangelt oder dieser gar ganz fehlt und das Verständnis davon „in Beziehung mit sich selbst zu sein” fehlgedeutet wird, dann wird das Leben zu einer Pflichterfüllung, Beziehungen werden als schwierig und unbefriedigend empfunden und gehen unvermeidlich in die Brüche; die Möglichkeit, das eigene wahre Selbst zu leben und zum Ausdruck zu bringen schwindet oder erscheint gar unmöglich und ein Gefühl von „nicht genug sein” schleicht sich ein. In dem Moment, wenn wir beginnen, uns als „nicht genug” zu empfinden, haben wir bereits vergessen, wer wir sind und wissen somit gar nicht, wo wir anfangen sollen.
Das ständige Gefühl „nicht gut genug” oder „unvollkommen” zu sein, führt zu einer nicht enden wollenden Suche und Identifikation mit Lebenszielen und Rollenbildern, die der Hauptfokus unseres Strebens werden, da sie durch ein falsches Selbstwertgefühl Erleichterung bieten. Das dazugehörige „Tun” oder „sich Verbessern” wird als schnelle Lösung benutzt, um die ständige Anspannung, die durch das Gefühl der Unvollkommenheit entsteht, zu verdecken.
So beginnt der Marathon des Selbstverbesserungs-Trips.
Alltägliches Leiden, Enttäuschungen und falsche Erwartungen lassen uns nach Lösungen suchen, nach Antworten, die scheinbar außerhalb von uns selbst liegen, weil wir zu der Überzeugung gekommen sind, dass wir „nicht genug sind”. Wir scheinen kraft- und machtlos und aus diesem Grund wertlos und deswegen müssen wir uns verändern oder besser werden, um etwas wert zu sein.
Fragen nach dem „Rezept fürs Leben”, einer „Anleitung zum Glücklichsein“ oder Aussagen wie „wenn ich nur wäre wie sie” sind nicht selten zu hören.
Das Angebot der Selbstverbesserung wirkt verlockend, wenn man von Gefühlen der Unzulänglichkeit geplagt ist.
Die Selbst-hilfe Arena hat diese Marktlücke sehr gut erkannt und bietet ein ausgiebiges Angebot an Verbesserungsvorschlägen in Seminaren und Kurstiteln wie:
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„Verändere dein Leben jetzt”,
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„Erreiche das Leben deiner Träume” oder noch besser...
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„Verändere dich selbst in 10 (oder gar 5) einfachen Schritten”,
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„Finde deinen Seelenpartner” oder mein persönlicher Favorit:
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„Frauen suchen nach sich selbst – somewhere over the rainbow!”
Selbstverbesserung bietet aber keine wirkliche Rück-Verbindung mit unserem wahren Selbst. Der Prozess der Selbstverbesserung fördert und erhält die Vorstellung davon, besser oder schlechter als jemand anders zu sein und ebenso die falsche Vorstellung davon, dass einige Leute intelligenter, fähiger oder liebenswerter wären als andere. Dieser Vergleich wird an einem idealisierten Tun oder dem äußeren Erfolg gemessen, fördert am Ende also nur einen Individualisierungsprozess.
Der Antrieb ist, „mehr” zu sein, nicht nur in Bezug auf sich selbst, sondern oft auch besser zu werden als die meisten oder alle anderen, mit dem Ergebnis, dass man sich noch mehr von den anderen entfernt und getrennt fühlt.
Diese Dynamik lädt Frauen und Männer dazu ein, losgelöst von der Verbindung mit ihrem wahren Selbst oder irgendetwas oder irgendjemandem durch die Welt zu gehen. Wir fangen an, Idealen zu folgen, uns an von außen konstruierten und vorgegebenen Standards anzupassen und uns ständig mit weltlichen Erwartungen zu messen oder immer und überall ganz vorne mit dabei sein zu wollen. Und egal ob wir dieses höchste Ziel erreichen oder nicht, es ist letztendlich ein Teufelskreis, der uns unaufhörlich ein Gefühl des Versagens und Misstrauens gibt. Das geht damit einher, dass wir versuchen, dem zu entkommen, womit wir eigentlich hätten anfangen sollen: dem Mangel an Selbstwert, dem Gefühl, nicht genug zu sein, es nicht verdient zu haben und einem nagenden Selbstzweifel, der uns in Frage stellen lässt, ob wir über das verfügen, was wir brauchen, um diese Ziele zu erreichen.
Bestseller, Motivations- und Elitekurse laden uns dazu ein, das zu KREIEREN, was wir glauben zu vermissen. Frauen glauben oft, dass die Vorschriften und Erfolgsrezepte des Lehrers oder Gurus das ist, was es braucht, um Selbstwert zu entwickeln. Selbstwert wird somit zu etwas, was es zu erreichen gilt, geformt, angestrebt und durch Techniken und Fähigkeiten erworben werden muss, um uns „irgendwohin zu bringen”, oft zu einem unerschwinglichen und somit exklusiven Preis, begleitet von kontinuierlichem Vergleich – denn in dem weiten Feld der Selbst-Verbesserung gibt es immer ein „mehr oder weniger”, mit dem man sich vergleichen kann.
Der erstrebenswerte Aufstieg durch Selbstentwicklung und Selbsthilfe - unabhängig davon, wie das Angebot aussieht oder klingt und welches Versprechen damit einhergeht - bringt uns jedoch allzu oft nicht einmal in die Nähe des so ersehnten Selbstwert-Gefühls. Frauen berichten oft ganz offen darüber, dass dieser oder jener Ansatz nicht funktioniert.
Meistens scheint das Bestreben nach Verbesserung regelrecht zu implodieren, lediglich um Platz zu machen für eine weitere, neuere und bessere Selbstentwicklungsstrategie – immer das Gleiche, nur in einer anderen Verpackung und mit einer anderen Ausrichtung – und so geht die Reise weiter!
Und letztendlich verlieren wir die Wahrnehmung für unseren Selbstwert mehr und mehr, denn sich aufeinander oder auf andere zu verlassen, um Antworten und Lösungen zu finden, ist nicht sonderlich selbstbestärkend.
Der Selbstwert der Frau leidet immens unter
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dem gnadenlosen Kreislauf des sich Vergleichens – „ich bin weniger” oder „ich bin mehr”,
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der Frage danach, „wie ich besser werden kann” oder „wie ich anders werden kann”,
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der endlosen Suche nach den richtigen Techniken, Antworten und Lösungen für unsere Probleme, die uns dauerhaft beschäftigt hält.
Sich selbst zu verbessern geht außerdem damit einher, die Ergebnisse des Lebens kontrollieren zu wollen und der ständige Versuch, sich zu verbessern und die Kontrolle darüber zu behalten, ist erschöpfend – es führt zu Ängstlichkeit und noch mehr Unsicherheit, weil es nie endet und es keine Wertschätzung gibt, nur das ständige Bestreben, dem Schatten eines möglichen Scheiterns zu entkommen.
Wenn wir aber die Qualität unseres wahren Seins fühlen und uns mit dieser wieder verbinden, werden wir merken, dass es dort nichts zu suchen oder zu verbessern gibt. Eine Tatsache, die wir von klein auf wissen und die uns von Babys und kleinen Kindern ständig reflektiert wird. Sich an diese Tatsache zu erinnern ist der Schlüssel zurück zu unserem wahren Selbst.
Hierbei ist es wesentlich zu beachten, dass wir unseren Selbstwert nicht durch das Tun, der Identifizierung mit Bildern, Idealen oder von außen gesetzten Zielen wiederbeleben. Es geht darum zu fühlen und wertzuschätzen, dass wir bereits alles sind und dass wir nur in uns selbst das wiederentdecken müssen, was wir so mühsam und ergebnislos im Außen suchen.
Das menschliche Wohlergehen ist bestimmt von der Liebe und Wärme, die wir in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen leben und erleben. Die Qualität unserer Beziehungen spiegelt uns unseren Selbstwert wider und unterstützt unsere Fähigkeit, uns mit dem zu verbinden, wer wir wirklich sind.
Wahrer Selbstwert entwickelt sich, wenn wir in einer selbstachtenden Haltung leben und damit sicherstellen, dass die innewohnende Botschaft, die wir von unserem Selbst empfangen, eine bestätigende und wertschätzende ist. Jedes Mal, wenn wir miss-achten, was wir in Wahrheit fühlen, empfangen wir eine Botschaft, die das wahre Selbst minimiert und ablehnt. Das ist die Wurzel unseres Mangels an Selbstwert.
Aus diesem Grund kann Selbstwert nicht durch das Anwenden einer Formel, einen Zaubertrank, Meditation oder eine New Age Technik erreicht werden. Er wird auch nicht im nächsten Bestseller, im nächsten Kurs oder in der Hoffnung gefunden, dass man gerettet wird oder verändert oder verbessert durch das heißersehnte neue Ich.
Wenn wir uns mit unserem uns innewohnenden Wert wieder verbinden möchten, müssen wir unseren Gefühlen Raum schaffen, sie beobachten, ihnen zuhören und bereit sein wahrzunehmen, zu erkennen und zu achten, was wir in jedem Moment des Lebens fühlen. Auf diese Weise können wir unser wahres Selbst entdecken und uns in unserer Vollkommenheit mehr und mehr in alles einbringen, was wir tun. Die tägliche praktische Anwendung des Fühlens, Zuhörens, Achtens und Wertschätzens wirkt sich auf all unsere Entscheidungen aus und unterstützt uns somit, ein wahres und unerschütterliches Gefühl für unseren Selbstwert zu entwickeln.
Frei übersetzt aus dem Englischen. Originalartikel: Self-worth and self-development – does it work?
Gelistet unter
Selbstwert, Beziehungen, Wertschätzung, Selbstvertrauen, Frauen