Auto und Körper – gibt es da eine Parallele?

Ein Auto hatte für mich früher den einzigen Zweck, mich von A nach B zu bewegen. Ja, ein Minimum an Standard musste sein, aber alles andere war mir ziemlich egal.

Mir war es wichtig, dass mein Auto aufgeräumt und sauber war, aber ich fand es unglaublich lästig, es zu pflegen. Eigentlich war mir nämlich vor allem die Außenwirkung wichtig, ich wollte nicht anecken. Irgendwo mochte ich auch die Sauberkeit und Ordnung, aber der Hauptgrund war das sicherlich nicht.

Ich hielt alle vorgegebenen Inspektionstermine ein, kümmerte mich aber ansonsten nicht um komische Geräusche, die plötzlich auftraten oder ähnliches. Man konnte das ja schließlich im Zweifel alles reparieren lassen, wenn es ernst würde.

Auf der Autobahn war es mir nicht wichtig, zügig voranzukommen, und ich habe immer auf all diese „rasenden“ Idioten geschimpft, wenn es mal wieder etwas enger wurde, wenn ich einen LKW überholen wollte und mein VW UP! mit seinem Beschleunigungsmoment einfach nicht mit dem mithalten konnte, was von hinten angeflogen kam.

Ich habe mich über teure Autos lustig gemacht und oft mit zum Himmel verdrehten Augen gesagt, dass man das Geld doch für so viele andere Dinge viel sinnvoller ausgeben könnte. Schicke Felgen, eine schöne Innenausstattung, eine Sitzheizung oder ein bis ins Detail einstellbarer Sitz waren für mich unnützer Schnickschnack.

Vor einiger Zeit wurde mir bewusst, dass es eine Parallele zwischen Auto und Körper gibt. So wie ich mit meinem Auto umging, ging ich auch mit meinem Körper um.

Mein Körper war mir so egal, dass es mir reichte, wenn er in einem funktionsfähigen Zustand war und ich mich von A nach B bewegen konnte.

Ich war immer ordentlich angezogen und an der Oberfläche sehr gepflegt, teils, weil ich gern Zeit im Bad verbrachte, aber vor allem, um nicht anzuecken oder unbequem aufzufallen. Freude daran, mich um mich zu kümmern, hatte ich keine.

Ich ignorierte unzählige Warnhinweise meines Körpers und suchte erst dann einen Arzt auf, wenn es wirklich nicht mehr anders ging.

Meinen Körper fit zu halten und Kraft zu haben, war mir nicht wichtig. Ich hatte keine Motivation, mich weiter zu entwickeln, sondern träumte träge von einem idealen Ist-Zustand. Geld für mich gab ich nur für Dinge aus, die wenig über mich selbst aussagten, wobei mir Qualität jedoch immer wichtig war. Letztlich war mir aber vor allem wichtig, wie etwas wirkte, nicht ob es mich wirklich unterstützte.

Mich im Winter für kurze Wege warm genug anzuziehen, war mir viel zu umständlich: „Im Zweifel werden die Zähne zusammengebissen und hinterher gibt’s heißen Tee mit Rumkandis“.

Für mich wird an diesen Parallelen zwischen meiner Einstellung zu Autos und meinem sonstigen Leben unübersehbar deutlich, dass alles in unserem Leben aus einem Guss ist.

Wenn ich etwas in einem Lebensbereich vernachlässige, findet sich die gleiche Vernachlässigung in allen Bereichen irgendwo wieder. Umgekehrt ist es so, dass wenn ich mich einem kleinen Teilbereich meines Lebens wirklich annehme und schaue, welche Baustellen es dort anzugehen gilt und diese angehe, wirkt sich das sofort auf mein ganzes Leben aus.

Angefangen habe ich beispielsweise damit, dass ich meine Rückenschmerzen leid war und offen dafür wurde, ehrlich hinzuschauen, wo diese herkamen. Dabei kamen ein paar psychische Ursachen an die Oberfläche, aber vor allem lauter kleine Details im Alltag, bei denen ich über mich hinwegging: z. B. ein falsch eingestellter Bürostuhl („So wichtig ist das ja nun wirklich nicht und ich habe jetzt keine Zeit, den richtig einzustellen – vielleicht morgen.“), eine zu harte Matratze („Die haben wir erst vor zwei Jahren gekauft und ich habe damals behauptet, das sie perfekt ist.“), ein oft auskühlender Lendenwirbelbereich („Lange Jacken sind hässlich und ich habe weder Zeit noch Nerven, mich für jeden Gang zur Mülltonne wie für eine Polarexpedition anzuziehen!“),...

Dort habe ich angesetzt und diese Kleinigkeiten verändert: Bürostuhl eingestellt, neue Matratze gekauft, schicke wärmere Jacke gefunden und – zuerst zähneknirschend – auch für kurze Wege schon angezogen. Dem standen zwar anfangs Gewohnheiten und Muster im Weg, aber wirklich schwierig war die Veränderung dieser kleinen Dinge nicht. Mit der Bereitschaft, die ganz körperlichen Details anzugehen, wurde es auch leichter, die psychischen Elemente ehrlich anzugucken und auflösen.

Die Lawine, die ich damit los trat, war allerdings gewaltiger, als ich mir je hätte vorstellen können, donnert immer noch durch mein Leben und macht auch keine Anstalten, langsamer zu werden.

Mit den ersten Details, die ich veränderte, weil ich es mir wert war, mich wirklich faktisch um mich zu kümmern, statt mir Trostpflaster zu gönnen, poppten plötzlich immer neue Details auf allen Ebenen meines Lebens auf, die angeschaut und bearbeitet werden wollten. Mein Leben begann sich kontinuierlich zu verändern. Und dieser Prozess scheint kein Ende zu nehmen. Hin und wieder hakt es, und ich beiße mich an vermeintlich lieb gewonnenen Gewohnheiten oder Dingen fest, aber sobald ich wieder offen werde für Veränderung stellt sich heraus, dass es jenseits dessen etwas viel Schöneres und Leichteres gibt, dass mir viel mehr entspricht.

Ich war jemand, der die Welt gemein fand, der sich ungerecht behandelt fühlte und zu sagen pflegte: „Bäume sind die besseren Menschen“. Ich bin zu jemandem geworden, der sich und sein Leben einfach nur mag und selbst schwierigen Kontakt mit anderen als Lernaufgabe und Bereicherung ansieht, nicht mehr als Qual. Heute bin ich jemand, der nicht mehr nur brav lächelt und krampfhaft versucht, Harmonie herzustellen, sondern gerne auch bereit ist anzuecken und dadurch wirklich etwas in Bewegung zu bringen.

Viele Menschen in meinem Leben hat diese Verwandlung irritiert, manche lassen sich davon inspirieren.

Heute ist es mir eindeutig zu wenig, einfach nur mit dem Nötigsten von A nach B zu kommen. Ich möchte auch C, D, E und F entdecken und alles mitnehmen können, was mich dabei unterstützt und für diese Reise notwendig ist. Vor allem möchte ich aber auch Raum haben, mit anderen Menschen gemeinsam uns selbst und das Leben immer wieder neu zu entdecken und mit mehr Tiefgang anzuschauen, denn nur zusammen kommt man weiter.

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  • Foto: Iris Pohl, Photographer and Videographer