Wie geht Selbst-Pflege in der Pflege?

Wie geht Selbst-Pflege in der Pflege?

Wie geht Selbst-Pflege in der Pflege?

Im Pflegeberuf kümmern wir uns um die Körper und das Wohlbefinden anderer Menschen, die sich diese Zuwendung alleine nicht geben können. Die Arbeit in der Pflege ist körperlich sehr anstrengend. Es herrscht viel Zeitdruck, Stress, Unterbezahlung, Frust, Unterbesetzung... die Liste ist lang und ich habe mich gefragt wie gehe ich eigentlich mit mir selbst um, wenn ich mich anderen widme?

Während meiner Arbeit in der Pflege habe ich gelernt, auf meinen Körper zu hören und im Einklang mit dem, was mein Körper mir kommuniziert zu handeln. Ich spüre immer deutlicher, wie viel natürliches Wissen mein Körper hat im Umgang mit anderen Menschen. Meine Verbindung mit der Sensibilität meines Körpers weist mir den Weg. Das bedeutet für mich, ihm zuzuhören und wahrzunehmen, also auch mitzubekommen, wenn ich über seine Zeichen hinweggehe und sie ignoriere und mich ihm dann wieder zuwende.

Das zeigt sich z.B. darin, wie ich durch die Gänge gehe, schwingt mein Becken frei, sind meine Schultern gelöst, ist meine Wirbelsäule aufgerichtet? Nehme ich mir Zeit, zwischendurch auf die Toilette zu gehen oder verschiebe ich es auf später, „erst sind mal die andern dran“? Nehme ich mir Zeit, mich in meiner Pause hinzusetzen und bewusst zu essen, anstatt mein Essen während der Arbeit in mich hineinzuschlingen?

Oder wie gehe ich am Morgen die Waschroutine der Bewohner an? Gehe ich mit dem Bild in das erste Zimmer, dass ich „nur“ 2 Stunden Zeit habe, um eine gewisse Anzahl an Bewohnern zu waschen, einzucremen und anzuziehen? Dann bin ich körperlich schon so in Anspannung und Leistungsdruck, dass jeder Handgriff schmerzt, ganz zu schweigen von den Verspannungen, die dann im Rücken entstehen bei jedem Drehen oder Neupositionieren eines Bewohners.

Dazu kommt, dass ich einer wahren Begegnung zwischen dem jeweiligen Menschen und mir gar keinen Raum gebe.

Es treffen zwei unterschiedliche Welten aufeinander: ich in Gedanken schon beim nächsten Bewohner und der Bewohner gedanklich schon auf dem Weg zum Frühstück, für den er sehr lange braucht, weil er sich nur langsam fortbewegen kann. So fährt jeder seinen Film und an ein gemeinsames Wir ist nicht zu denken.

Mir begegnen Kollegen, die sehr klar wahrnehmen, dass sie seit drei Stunden auf die Toilette müssen, es aber immer wieder aufschieben oder die eine ganze Reihe an Bandscheibenvorfällen haben, sich aber dennoch keinen Raum einräumen, um durch gezieltes Training ihren Rücken und ganzen Körper zu stärken. Kollegen, die mir sagen, ich solle mich ja nicht bei meiner Pause stören lassen, dann aber selbst die Nudeln am Computer löffeln.

Und ich selbst spüre ja auch, wie ich mich in diese Glaubenssätze hineinziehen lasse und das Spiel gegen die Zeit mitspiele.

Warum sind wir so gut darin, anderen gute Ratschläge zu geben, selbst aber ganz gegensätzlich zu handeln?

Um diese Frage zu beantworten, braucht es eine Vertiefung des eigenen Körperbewusstseins, damit ich überhaupt weiß, was „wahrer, fürsorglicher und liebevoller Umgang“ heißt.

Was unterstützend dabei sein kann, um zurück zu der Verbindung zu meinem Körper zu kommen und damit zu mir, ist ein tägliches Muskel- und Kardiotraining. So kräftigen wir unseren Körper kontinuierlich, so dass er die Chance hat, den körperlichen Anstrengungen z.B. beim Drehen oder Heben eines Bewohners Stand zu halten und möglichen Bandscheibenvorfällen entgegen zu wirken. Außerdem können uns Bindegewebsübungen unterstützen, liebevolle, sanfte und bewusste Bewegungen zu erlernen, anstatt unseren Körper an seine Grenzen zu peitschen.

Bindgewebsübungen sind kleinste Bewegungen mit maximaler Wirkung. Zum Beispiel, den Kopf in einer fließenden Bewegung sanft nach rechts und links bewegen oder auch in einer Art nickenden Bewegung das Kinn in Richtung Brustbein bringen und wieder zurück zur Ausgangsposition. Das kann Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich lösen. Oder im Liegen mit angewinkelten Beinen sanft das Becken vor und zurück kippen, so dass der untere Rücken mal flach die Auflage berührt und dann wieder sanft ins Hohlkreuz bewegt wird. Das lockert den unteren Rücken, insbesondere das Bindegewebe (Faszien). Ebenso die Millimeterbewegung beider Knie gleichzeitig (die Beine sind noch aufgestellt) nach rechts und links kann die Muskulatur von Hüfte und Becken als auch die Gelenke seitlich des Kreuzbeins lösen.

Wenn wir all die Zeichen, die uns unser Körper andauernd rückmeldet, sei es Müdigkeit oder Schmerzen, ernst nehmen, entsteht ein Raum in uns, der eine tiefe Wertschätzung für uns selbst zulässt.

Allein dadurch, dass ich mir den Raum dafür gebe, mich ernst zu nehmen in dem, was mich nicht unterstützt, fühle ich eine tiefe Wertschätzung und eine Weite in mir.

Wenn wir uns Raum geben, können wir auch anderen den Raum geben.

Überall warten das Angebot und die Entscheidung, mich mehr auf mich selbst und andere einzulassen oder aber genervt davon zu sein, wie eintönig, stressig, unterbezahlt der Job ist oder wie wenig Anerkennung ich dafür bekomme.

Aber selbst wenn ich äußerlich betrachtet „alles“ hätte, mich aber körperlich und seelisch vernachlässige, welchen Sinn würde das machen? Ich merke, dass die Qualität, in der ich jeden Moment lebe, ausschlaggebend ist für meinen Tag und mein Wohlgefühl.

Die Liebe zu mir selbst bringt die Liebe für alles, was ich tue und dafür muss ich nicht perfekt sein.

Der dadurch entstehende Kontakt ist tief berührend und steht in jedem Moment zur Verfügung, wenn ich mich einlasse – auf mich selbst und damit auf alle anderen.

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  • Von Sarah Schütz

  • Foto: Dean Whitling, Brisbane based photographer and videographer of 12 years.