Zuckersucht – wo kommt das eigentlich her?

Zuckersucht - der Wunsch sich emotional zu betäuben

Zuckersucht – wo kommt das eigentlich her?

Zucker – wir essen und trinken zu viel davon. Also ich tue das ganz sicher, das ist mal klar. Aber auch ganz offizielle Untersuchungen belegen, dass unser Zuckerkonsum kontinuierlich zunimmt - besonders der Verzehr von zuckerhaltigen Getränken steigt von Jahr zu Jahr. Die Abteilungen für Süßes in Supermärkten und Onlineshops werden immer größer und dazu kommt, dass eigentlich herzhafte Fertigprodukte einen immer größer werdenden Anteil an Zuckerzusatz enthalten.

Wussten Sie, dass unser Obst immer süßer gezüchtet wird und somit der Zuckerkonsum über Jahrzehnte auch zunimmt, selbst wenn man täglich nur einen Apfel isst? Und sozusagen ‚on Top‘ kommt der Trend, Obst eher zu trinken als zu essen – von Saft über Schorle bis hin zu Smoothie – womit wir noch mehr Süßes zu uns nehmen, weil man mehr ‚Obst‘ trinkt, als man essen würde. Und dann das: Täglich gibt es in Deutschland ca.1500 Neuerkrankungen der ‚Zuckerkrankheit‘ (Diabetes).[1]

Süßigkeiten. Es verlangt uns danach.

Wie kommt es, dass wir unangenehme, ungesunde, verstümmelnde und mitunter sogar tödliche Konsequenzen in Kauf nehmen für ein paar süße Sekunden im Mund? Auf die mit dem Konsum einhergehenden körperlichen und psychischen Folgen würden wir gerne verzichten – nicht aber auf den Konsum selbst.

Was soll man da sagen? – Es ist eine Sucht.

Wie und wann fängt das an, habe ich mich gefragt und mich umgesehen.

Wenn man draußen unterwegs ist und anderen Menschen begegnet, ist es ein recht vertrautes Bild: kleine Kinder an den Händen ihrer Eltern oder im Kinderwagen mit etwas zu Essen in der Hand – zumeist ein Brötchen, ein Keks oder andere Teigware. Solche Mehlerzeugnisse bestehen hauptsächlich aus sogenannten ‚einfachen Kohlenhydraten‘, die im Körper sehr schnell zu Zucker umgewandelt werden. Zucker erhöht unseren Dopamin- und Serotoninspiegel, was uns – ganz kurz gesagt – Gefühle der Befriedigung sowie Aufregung beschert.

Was mich zur nächsten Frage führt: Warum bekommen kleine Kinder von uns solche ‚Muntermacher‘ bzw. ‚Befriedigungen‘?

Wenn ich mir den Beginn eines Menschenlebens betrachte, hat man da ja nun noch nicht viele Ausdrucksmöglichkeiten. Fühlen wir uns in irgendeiner Weise unwohl, fangen wir an zu quengeln oder weinen. Der zuständige Erwachsene in unserer Nähe hat dann die Aufgabe heraus zu finden, was uns fehlt. Wir werden gehalten, geschaukelt... und oft bekommen wir was zu essen angeboten. Und nicht nur irgendwas zu essen – nein! Wir bekommen was Süßes, eine Form von Zucker (wie: Milch, Keks, ...).

Vielleicht hatten wir gar keinen Hunger, sondern waren verunsichert, verängstigt, erschrocken, fühlten uns allein oder gelangweilt, hatten einen Pups quer sitzen oder vielleicht war es uns zu kalt oder zu warm. Und dann? Wir bekommen etwas in den Mund.

Und das geht so weiter, wenn wir älter werden:

  • ein braves Kind bekommt zur Belohnung etwas Süßes (Loli, Schokolade, Eis)

  • besondere Anlässe verdienen besonders viel Zucker (Geburtstagskuchen, Cola)

  • Stress und Leid wird mit Zucker ‚versüßt‘ (Besuch des Zahnarztes = Bonbon, Hamburger)

  • Langeweile wird mit süßen Lebensmitteln betäubt (damit Erwachsene in Ruhe arbeiten, einkaufen, kochen, reden können)

So lernen wir, dass Zucker etwas ist, das wir bekommen können, wenn wir nicht bekommen (können), was wir wirklich brauchen.

Wir lernen früh, Zucker als Form der Kompensation oder Erleichterung einzusetzen und führen dies im Erwachsenenalter fort. Es wird eine körperliche Abhängigkeit geschaffen, die mit Verhaltensmustern zementiert wird.

Ob bewusst oder unbewusst essen wir uns bestimmte Lebenssituationen ‚schön‘ – wie:

  • Wir fliehen mit einem Glas Wein oder Bier vor Alltag und vor Ängsten

  • Futtern Schokolade während der Arbeit, um uns bei der Stange zu halten

  • Knabbern Popcorn, Chips und Co. als Extrabonus während des Kinofilms

  • Greifen zu Eiscreme, um Trauer oder Einsamkeit zu dämpfen

  • Gönnen uns eine Pizza nach einem anstrengenden Arbeitstag

Wir haben diese ‚speziellen‘ Lebensmittel, um besondere Anlässe zu kennzeichnen – um uns selbst oder auch andere zu belohnen, als ‚Danke‘ für die harte Arbeit, als Auszeichnung und um das Leben allgemein zu ‚versüßen‘. Die kleinen Freuden des Lebens eben.

Doch die wahre Süße des Lebens kommt nicht durch Mund und Magen zu uns. Unser wahrer Hunger nach echtem Kontakt, tiefer Vertrautheit und Herzenswärme, Sinnhaftem, verantwortungsvollem Leben, vorbehaltloser Akzeptanz, grenzenloser Verbundenheit, Wertschätzung, Selbstermächtigung und Integrität wird durch Zucker, oder Essen überhaupt, nicht gestillt.

Wollen wir uns unserer Zuckersucht stellen, gilt es Verantwortung für unseren wahren Hunger zu übernehmen.

Wir müssen lernen, die Qualitäten, nach denen wir uns sehnen, selbst zu leben und auszudrücken, statt darauf zu warten, dass sie ohne eigenes Zutun zu uns kommen.

Das beginnt bei den kleinen Dingen, wie zum Beispiel, dass wir, wenn es kalt ist, uns etwas Wärmendes anziehen, dass wir, wenn wir müssen, auf Toilette gehen, dass wir, wenn der Hunger kommt, ein liebevoll zubereitetes Essen haben - dass wir ganz generell eine gesunde Fürsorge betreiben. Und es geht weiter damit, die eigene Wahrnehmung ernst zu nehmen und zu würdigen (dementsprechend zu handeln), sich auf sich selbst und andere einzulassen, lernen zu akzeptieren, wo man gerade steht (und wo ein Anderer gerade steht) – ohne Verurteilung, sich weiterzuentwickeln und die Bereitschaft und Aktivität, sich aus alten Mustern zu lösen, ohne dann neue Muster zu kreieren! Die eigene Macht anzuerkennen, zu entdecken und integer (zum Wohle der Gemeinschaft) einzusetzen.

Sich wirklich einlassen – ohne Netz und doppelten Boden – auf das, was kommt.

Zuckersucht ist das Eine, aber warum wir süchtig sind, das Andere – zwei Seiten der gleichen Münze. Darum reicht es nicht, nur auf Zucker zu verzichten – wir brauchen ein echtes‚ auf uns selbst und andere Zugehen‘, ein Vertiefen unserer Wahrnehmung und unseres Bewusstseins, um nicht länger einen Ersatz für etwas Ungelebtes zu brauchen.

Somit gilt, sich nicht bloß den Zucker abzugewöhnen, sondern vielmehr die wahre Süße des Lebens zu entdecken und den Zuckerkonsum überflüssig werden zu lassen.


Referenzen:

  • [1]

    www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/

Gelistet unter

ZuckerEssenDiätÜberessenEssstörung

  • Von Sandra Schneider, Heilpraktikerin (Psychotherapie), Business Coach (IHK), Tanz- und Ausdruckstherapeutin

    Mit Menschen im Kontakt zu sein und die gemeinsame Entwicklung zu fördern ist mir ein sehr natürliches Anliegen.

  • Foto: Iris Pohl, Photographer and Videographer