Einfach Loslassen zurück zur Allwissenheit.

Ich hörte schon öfters von Geschichten, wo Menschen im Angesicht des sehr plötzlichen Todes standen. Mag es sein, dass sie einen Unfall hatten, das Flugzeug abstürzte, dass sie sahen, wie jemand auf sie zufuhr und sie nicht mehr ausweichen konnten, sie von irgendwo hinunterfielen o.ä..

Es sind Momente, in denen wir fühlen, wie wenig es bei unserer Existenz tatsächlich um Zeit geht.

In einer solchen Situation, wenn jemand auf einen direkt zufährt und es keine Ausweichmöglichkeit mehr gibt, weiß man, dass man keine andere Wahl hat, als sich hinzugeben. Diese Momente fühlen sich an wie eine halbe Ewigkeit und wir erkennen, dass wir aufgefordert sind, mit dem zu gehen, was ist, komme was da wolle. In dem Moment steht die Zeit irgendwie still.

Wenn die Zeit so zum Stillstand kommt, öffnet sich ein Raum, in dem wir fühlen, dass wir uns ganz bewusst entscheiden, in jedem Moment und nicht nur, wenn wir kurz vor dem Ableben stehen. Wir sind uns bewusst, was uns in dieser extremen Situation bevorsteht. Da ist kein Zweifel, da ist eine Allwissenheit, was passieren wird, auch wenn wir dem kognitiv gar nicht wirklich folgen können, weil alles so schnell passiert. Unsere Wahrnehmung (Denken) ist in diesem Moment von Zeit befreit.

Das interessante Phänomen an solchen Situationen ist, und das berichten Menschen, die solche Unfälle oder Ereignisse überlebt haben, dass da eine plötzliche tiefe Ruhe im Körper war, die sie nur anfragte, loszulassen. Auf einmal war nichts von dem mehr wichtig, was zuvor noch so wichtig erschien.

Ein völliges Losgelöst-Sein von den Dingen, die man sonst als lebensnotwendig erachtet, sie waren nun nur noch nichtig und klein, wenn überhaupt existent. Und dies passierte in diesem unglaublich zeitlosen Moment, kurz bevor eine sogenannte Tragödie ihren Lauf nahm.

Meine Frau hatte einen solchen schweren Autounfall und sie beschrieb den Moment, als sie die Kontrolle über das Auto verlor und gegen die Leitplanke schlug, als einen Moment der Entscheidung. Sie wusste sofort, dass der Tod nahe war und sie nur überleben würde, wenn sie körperlich und damit auch emotional loslassen würde. Auf einmal sprach eine Intelligenz zu ihr, die von ihrem Körper kam und sie instruierte mit dem Befehl: Loslassen!

In der Tat sagt sie bis heute, dass dies der Grund war, warum sie trotz geplatzter Lunge und anderen Verletzungen überlebte, nachdem das Auto mehrere hundert Meter überschlagend schlussendlich auf dem Dach zum Liegen kam. Dass sie überlebte und sich nicht alle Knochen brach, war ein absolutes Wunder.

Die beschriebenen Beispiele sind Extremsituationen, die nicht jeder in dieser Form erlebt haben wird, aber sie beschreiben ein Phänomen, das für uns alle relevant ist.

Wie kommt es, dass wir in solchen Momenten auf unseren Körper und das, was er mit uns kommuniziert, hören und ansonsten zumeist ignorieren, was er uns beständig mitteilt? Die Intelligenz des Körpers steht uns in jeder Sekunde zur Verfügung. Warum sollte es also nur möglich sein, mit dieser in Kommunikation zu sein, wenn wir kurz vor dem scheinbaren Ende stehen?

Was ich auch faszinierend finde ist, dass in solchen Momenten jegliche Kontrolle aus dem eigenen System „Mensch“ weicht. Wenn wir unweigerlich wissen, dass wir sterben oder sterben könnten, kehren wir plötzlich zu einer Wahrheit zurück. Zu der Wahrheit in der Stille des Seins und der Allwissenheit.

Wir beschäftigen uns nicht mehr mit Dingen, die uns das Leben schwer machten, auf einmal sind die Anderen und was sie denken könnten egal, plötzlich ist da dieses Wissen, nicht alleine zu sein, Stolz, Getriebenheit, Hass oder Frust fallen sämtlich ab. Auf einmal sind da eine Purheit und Liebe, die wir uns im Leben sonst nicht erlauben und zulassen. Sie können natürlich sagen, ja gut, das ist einfach, man stirbt ja auch potentiell. Kein Wunder, da hat man ja auch nichts mehr zu verlieren.

Aber was gibt es denn überhaupt zu verlieren? Wenn der Moment kurz bevor man weiß, man geht, sich so weit, warm und unendlich still, angstfrei, möglich, vertraut und haltend anfühlt? Ist das nicht, wonach wir unser ganzes Leben suchen?

Wie können wir dann in der Annahme sein, dass wir etwas verlieren - wenn der Moment vor dem potentiellen Ableben, sich so reich und wahr anfühlt, so absolut? Einfach nur weil wir anhalten.

Was vermissen wir Tag für Tag wirklich, was uns dieser Moment des Wiederverbindens zu der einen Kraft - für den einen mag es Gott sein, für den anderen das Universum, wie auch immer man es nennen mag - spiegelt und reflektiert? Wie viele von uns denken, dass wir es in der Hand haben, wie die Dinge laufen werden, dass wir kontrollieren können, was wann wie geschieht?

Sind es nicht unsere sehr bewusst getroffenen, eigenen Entscheidungen:

  • sich mit Dingen zu befassen, die nicht einem selbst und auch keinem anderen dienen?

  • sich aufzuregen, zu manipulieren oder gar zu attackieren?

  • sich von der Menschheit zu isolieren und andere zu verachten und abzuwerten?

  • sich im Tun zu verlieren, um gesehen und anerkannt zu werden?

  • sich als Opfer zu sehen und damit das Recht der ultimativen Verantwortungslosigkeit einfordert?

  • sich anzuzweifeln, weil man sich von der Allwissenheit abgeschnitten hat?

Wir kreieren diese Spannung weg von der angesprochenen zeitlosen, unendlichen Weite, die immer zur Verfügung steht, einfach nur weil man ist und weiß und fühlt, wie alles miteinander verbunden ist. Eine Weite, in der wir genug sind und nichts vom Außen brauchen, uns wahrhaftig sicher fühlen.

Womit wir uns beschäftigt halten, die Dramen, Reaktionen und Ängste, können nur da sein, weil wir uns vom großen Ganzen, von dem Moment der Zeitlosigkeit abschneiden. In der Tat benutzen wir sie, um uns davon abzulenken, diese eine Kraft zu fühlen, sie selbst zu verkörpern und damit zu sein, die Verantwortung, die damit einhergeht, zu leben und mit anderen zu teilen. Logische Folge wäre nämlich, dass wir dadurch auch andere daran erinnern, dass es diese Kraft gibt, von der wir alle stammen, die uns immer hält. Die niemals bewertet noch uns drängt, sondern uns entscheiden lässt, wann wir wieder zu ihr und damit zu uns zurückkehren. Zu unserem Ursprung …Wann immer wir dazu bereit sind.

Wir können warten, bis wir im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Wand fahren, oder jetzt in diesem Moment anhalten und - loslassen.

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  • Von Steffi Henn

  • Foto: Steffi Henn