Warum ich zu viel esse

Haselnusscreme & Ich - Warum wir zu viel essen

Warum ich zu viel esse

Als kleines Mädchen habe ich es geliebt, mich mit einem Glas Nuss-Nougat-Creme hinzusetzen und die Creme direkt aus dem Glas zu löffeln. Bis ich voll war. So richtig, richtig abgefüllt.

Meine Familie und andere waren überrascht, dass ich Nuss-Nougat-Creme so aus dem Glas essen konnte, ganz ohne Brot und mir davon nicht übel wurde. Für mich war es eine Befriedigung. Zum einen der cremig-süße Geschmack in meinem Mund und zum anderen das gestillte Verlangen zu essen, bis keine Anspannung mehr spürbar war.

Jetzt, nach Jahren des "Experimentierens" mit Lebensmitteln, haben sich viele meiner Essgewohnheiten verändert. In der Regel habe ich einen guten Draht dazu, was ansteht zu essen, um mich gut zu nähren. Ich liebe es zu kochen und frische Zutaten mit Freude in leibliches Wohl für mich und andere zu verwandeln.

  • Ich esse kein Fastfood mehr
  • Kein Gluten
  • Konsumiere keine Tiermilchprodukte
  • Esse kaum Süßigkeiten

Aber dennoch...manchmal esse ich mehr als nötig – Ich überesse mich. Das kann ein Apfel sein oder was anderes Süßes...aber in Wahrheit kann es alles sein, was ich ansonsten als ‚gesundes Essen‘ bezeichnen würde – nur eben zu viel davon.

Also frage ich mich:

Habe ich verändert, WAS ich esse, aber nicht meine Gewohnheiten, warum und wie ich esse?

Als kleines Mädchen war es Nuss-Nougat-Creme, später dann Pizza & Pommes gefolgt von Alkohol und einer Vielzahl anderer Lebensmittel oder Getränke. Jetzt ist es frisches Gemüse, Fisch und manchmal Bio-Fleisch, eine ausgewogene, gesunde Ernährung – aber immer noch zu viel ‚des Guten‘. Warum ist das so?

Manchmal habe ich zum Beispiel keine Lust auf ein Frühstück, esse es aber dennoch, weil es "vernünftig" scheint, weil ich den ganzen Tag arbeiten muss und ich nicht weiß, ob ich eine Pause bekomme, um etwas zu essen... Oder ich nehme noch mal Nachschlag beim Abendessen, obwohl ich eigentlich schon genug hatte.

Es scheint mir, dass sich meine Ernährungsgewohnheiten geändert haben, aber nicht meine Beziehung zum Essen.

Es ist, als würde ich immer noch versuchen, etwas durch das Essen zu bekommen, was ich ansonsten nicht bekomme! ODER ist es möglich, dass ich, perverserweise, tatsächlich genau das bekomme, was ich will?

Was ich bekomme, ist ein Gefühl in meinem Körper von Schwere und Müdigkeit. Ein körperliches ‚Voll-Sein‘, das es mir erlaubt, mich scheinbar zu „entspannen", mich zurückzulehnen (und buchstäblich hinzusetzen) und Dinge um mich herum „geschehen zu lassen“.

Wenn ich mich überesse, kann ich mich zurücklehnen und die Welt sein lassen... irgendwo da draußen. Ich erlebe mich dann eher als inaktiven Beobachter anstatt als aktiven Spieler. Ich bin raus aus dem Spiel und auf der Zuschauerbank. So scheint es mir zumindest.

Das ist es, was ich begriffen habe: Ich überesse, um mich von dem, was in der Welt vor sich geht, zu lösen/distanzieren. Um es nicht mehr zu fühlen.

Was mich zur nächsten, tieferen Frage führt: Warum will ich nicht alles fühlen, was ich natürlicherweise fühlen kann? Vielleicht liegt es daran, dass mir nicht gefällt, was ich fühle?

Mal ganz ehrlich, ich weiß, dass ich mich in Beziehungen manchmal zurückhalte und Intimität nicht in dem Maße zulasse, wie es möglich wäre – obwohl ich mich eigentlich danach sehne! Ich hasse es Gefühle von Eifersucht wahrzunehmen, von mir oder von anderen. Da ist so viel Ängstlichkeit, Unsicherheit, Hilflosigkeit und Schmerz um mich herum und in mir...dazu kommen die Versuche alle diese Emotionen zu bewältigen oder zumindest zu vertuschen.

Da sind Situationen und Lebensbereiche, die mich herausfordern, zu meiner Größe zu stehen, Dinge anzusprechen, mich zu entwickeln, mehr Verantwortung zu übernehmen. Und wenn ich mich überesse, kann ich die Wahrnehmung dieser Herausforderungen betäuben.

Aber.....

  • Wird sich mein Leben positiv ändern, wenn ich mich zurücklehne, all das ertrage und meiner Wahrnehmung gegenüber taub werde?
  • Verändert sich unser Leben zum besseren durch Taubheit?
  • Ist Verweigerung und Rückzug wirklich eine Antwort?

Ich glaube nicht.

Mehr noch, nur weil wir unsere Bewusstheit darüber, was wir fühlen, reduzieren, verschwinden die Tatsachen nicht.

Also... Nur so viel und in der Qualität zu essen wie nötig ist, um unseren Körper zu nähren, ist nicht nur gesund, sondern auch ein Schritt in Richtung erweiterte Wahrnehmung und Bewusstheit. Ein Schritt, der dazu beiträgt, die dringend benötigten Veränderungen in unserer Welt herbeizuführen.

Als Kind und auch später im Leben entschied ich, mich von dem, was ich fühlte, überwältigen zu lassen, und die Anspannung mit Schokolade (Pizza, Pommes, Alkohol) zu betäuben. Dies wurde dann zur Gewohnheit – ja, zu einem Zustand von ‚normal‘.

Jetzt - als Erwachsene - kann ich die Wahl treffen: gebe ich der Gewohnheit nach, esse zu viel, lehne mich betäubt zurück und übergebe mich der Ohnmacht? Oder akzeptiere ich mich als Teil des Ganzen und nehme die Verantwortung und Entwicklungs-Herausforderungen an, die dies mit sich bringt?

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  • Von Sandra Schneider, Heilpraktikerin (Psychotherapie), Business Coach (IHK), Tanz- und Ausdruckstherapeutin

    Mit Menschen im Kontakt zu sein und die gemeinsame Entwicklung zu fördern ist mir ein sehr natürliches Anliegen.

  • Foto: Iris Pohl, Photographer and Videographer