Yoga Asana - Ursprünge der Yogastellungen

Yoga Asana - Ursprünge der Yogastellungen

Yoga Asana - Ursprünge der Yogastellungen

Den meisten Menschen fallen bei dem Wort „Yoga” Bilder von gymnastisch anmutenden Stellungen ein, wie der Kopfstand oder die Namen populärer Yogastellungen, wie „der herabschauende Hund"[1] und „der Sonnengruss".[2]

Doch die Jahrtausende alte Tradition des Yoga und die Bandbreite der Yogaphilosophie und -praxis erwähnen oder betonen diese körperlichen Übungen oder Stellungen nur sehr wenig. Diese tauchen erst in den letzten 100-150 Jahren auf und sind vor allem dem Einfluss der westlichen Welt auf die indische Kultur zuzuschreiben. Bei alledem finden das Wunder, die Schönheit und die Wissenschaft unseres Körpers, wenn er in Einheit/Yoga bewegt wird, kaum Beachtung.

In Indien gibt es viele Zweige des Yoga, wie Bhakti (Yoga der Hingabe), Jnana (Yoga der Weisheit), Karma (Yoga der Handlung) und innerhalb dieser Zweige gibt es Hunderte von yogischen Praktiken (Tantra, Mudra, Asana, Mantra usw.). Wenn es um die Ausübung von Yogastellungen oder körperlichen Yogaübungen geht, fallen diese im Allgemeinen unter die Kategorie des Hatha-Yoga und der Asana-Praktiken.

Ursprünglich war Hatha-Yoga[3] eine Praxis, die in erster Linie auf die Reinigung und Beherrschung des physischen Körpers abzielte, um den Körper für Meditationspraktiken zu beruhigen und zu entspannen. Die Praxis galt im 15. Jhdt. als Vorbereitung auf die Erlangung des Eins-Sein oder der Vereinigung mit dem Geist oder der Seele und weniger der Verherrlichung oder Vervollkommnung der physischen Form. Es gibt Hinweise, das Hatha-Yoga auch schon früher praktiziert wurde, von den auch heute noch praktizierenden hinduistischen Sadhus, sie benutzen Yoga jedoch, um dadurch magische Kräfte (siddhis) zu entwickeln.

Außerhalb Indiens ist die Praxis von Yoga-Asanas oder Yogastellungen die heute weltweit am häufigsten praktizierte Form des Yoga. Mit der Verbreitung des Yoga im Westen um 1920 hat sich die Yogapraxis in Yogastile wie Iyengar, Ashtanga, Bikram, Yin, Kundalini, Oki und Vinyasa, um nur einige von vielen zu nennen, differenziert. Es haben sich auch neue Yogastile herausgebildet, bei denen Yogapositionen gehalten werden, während man in der Luft schwebt, auf einem Paddelbrett balanciert, oder in einer Kneipe, während man Alkohol in der Hand hält und trinkt.

Trotz dieser Differenzierungen und Abweichungen huldigen die meisten modernen Yogalehrer und Yogalehrerausbildungskurse Patañjali[4], dem Autor des wichtigsten Yogatextes: „Die Yoga-Sutras von Patañjali". Er wurde als der „Vater des Yoga" bezeichnet, weil man heute davon ausgeht, dass viele Yogasysteme ihre Wurzeln in Patañjalis Yogalehre haben.

Die Yoga-Sutras von Patañjali sind eine Sammlung von 196 kurzen Aphorismen (ein anderes Wort für Sutras), die sich weiter in die „Acht Glieder des Yoga" unterteilen lassen; das dritte Glied bezieht sich auf „asana" oder Körperhaltung. Es gibt jedoch nur vier Sutras, in denen „asana" erwähnt wird und alle beziehen sich auf „asana" als eine aufrechte Haltung, die leicht zu halten ist.

  • Die erste Erwähnung von „asana" findet sich in Sutra 29, Buch 2 der Sutras von Patañjali; hier wird Asana (richtige Haltung) als eines der acht Glieder des Yoga genannt.

  • Die zweite Erwähnung ist in Sutra 46 aus Buch 2; das Sutra bereitet den Schüler auf die Meditation vor und besteht aus nur drei Worten: „sthira sukham asanam" - wobei sthira „beständig" und sukhman „leicht" bedeutet.

  • Der dritte Hinweis auf Asana rät, dass die Stabilität und Leichtigkeit der Körperhaltung „...durch beharrliche, leichte Anstrengung erreicht werden soll ..." - um das Wohlbefinden des Körpers während der Meditation aufrechtzuerhalten, damit der Körper die Konzentration des Geistes nicht ablenkt.

  • Das vierte Sutra, das sich auf Asana bezieht, erwähnt sie nur als Vorläufer für die nächste Stufe der acht Glieder – Pranayama, wo es um die Atmung geht.

Für viele moderne Yogapraktizierende bedeutet der zweite Bezug auf asana: „sthira sukham asanam" wörtlich: „Die eingenommene Haltung (asana) muss stabil und leicht sein". Ein stabiles und zugleich entspanntes Halten einer jeden Yogaposition ist damit das Ziel. Daher ist dieses Sutra maßgeblich für die Bedeutung der Yogapraxis, die bisweilen gymnastisch anmutet.

1927, lange vor der Explosion des Yoga in unserer Mainstream-Kultur, veröffentlichte Alice A. Bailey einen Kommentar zu Patañjalis Yoga-Sutras mit dem Titel „Das Licht der Seele". Sie beginnt ihren Kommentar zu diesem Sutra so:

"Dieses Sutra hat unsere abendländischen Schüler in grosse Schwierigkeiten gebracht, denn sie haben es in einem rein körperlichen Sinne interpretiert. Dass es eine physische Bedeutung hat, ist wahr, aber in Bezug auf die untere dreifache Natur[5] könnte man sagen, dass es sich auf eine feste, unbewegliche Position des physischen Körpers während der Meditation bezieht...[6]"

Wies Alice A. Bailey schon 1927 darauf hin, dass das Wiederauftauchen des Yoga im letzten Jahrhundert bereits von seinem bestimmungsgemäßen Sinn und Zweck abgewichen war, und offenbart dies die Neigung des abendländischen Yogaschülers, Asanas und Yogastellungen als Bestandteil der Yogapraxis fehl zu interpretieren und zu stark zu betonen?

Man könnte sagen, dass die modernen Yogastile die Glaubwürdigkeit und Autorität des Yoga als eine alt bewährte Lehre genießen, ohne den Vater des Yoga, Patañjali, wirklich zu verstehen, der die Praxis der Yogastellungen, die die meisten Yoga-Anhänger heute kennen und „Yoga" nennen, weder gelehrt noch gekannt hat. Wenn wir die Geschichte des Yoga betrachten, sind diese heute als traditionell bezeichneten Yogaübungen tatsächlich noch nicht so alt und spiegeln auch nicht den ursprünglichen Charakter und Zweck des Yoga wider.


  • [1]

    https://spiritualityhealth.com/blogs/pathfinding-yoga-and-mindfulness/2015/11/26/julie-peters-downward-dog-invention-20th-century

  • [2]

    https://lebenskunst-und-yoga.de/mythos-sonnengruss-surya-namaskar

  • [3]

    https://viniyoga.de/yogainfo/yoga-geschichte

  • [4]

    https://www.thecontemplativelife.org/blog/yoga-sutras-patanjali-siddhis-mystic-powers

  • [5]

    Die untere dreifache Natur sind die physischen, emotionalen und mentalen Aspekte der menschlichen Existenz.

  • [6]

    Alice A. Bailey, Das Licht der Seele, Die Yoga-Sutras des Patanjali, 15. Auflage, S. 213


Fei übersetzt aus dem Englischen. Originalartikel: Origins of yoga postures – a closer look at the purpose of yoga asana

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KörperbewusstseinYogaHerkunftslinie

  • Foto: Clayton Lloyd